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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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psychopathisch ist. Ich möchte daher von ihm wissen, ob er auch manchmal Schuldgefühle empfindet. »Kommt drauf an«, sagt er und ergänzt lachend: »Nicht generell.« Als ich ihn frage, was er damit meint, überlegt er kurz und antwortet grinsend: »Es gibt Schuldgefühle bei mir, aber nie lange. Ich denke, ich kann mit Schuld gut umgehen«, sagt er und lacht wieder. »Frag mich nicht, das ist ein bisschen schwierig. Klar gibt es Schuldgefühle. Aber ich kann nie sagen, wie stark sie sind. Ich kann nur sagen, dass sie mich nie besonders belasten und nie lange anhalten. Sie lassen sich auch gut relativieren.« »Also redest du sie dir weg?«, frage ich. »Nö«, antwortet er, »ich kann Schuld auch einsehen, wenn ich irgendwas verbockt hab. Aber es kann mir dann trotzdem egal sein nach ’ner Weile.«
Das Leben mit anderen Menschen als Schachspiel betrachten
– Lügen und Manipulation
    Ich weiß, dass Christian, wie andere Psychopathen, schnell und geschickt lügen kann, um andere Menschen zu beeinflussen. Also spreche ich ihn darauf an: »Du bist ja ein ungewöhnlich guter Ausredenerfinder. In deinem Alltag erfindest du eine Menge Ausreden und Lügen, um deine Kosten gering zu halten.«
    Christian erwidert: »Das mag sein.« Da wir das Thema schon einige Male angesprochen haben, frage ich: »Das ist dir inzwischen auch schon mal aufgefallen, oder?« Er grinst und sagt: »Du hältst es mir häufiger mal unter die Nase.« Weil ich prüfen will, ob er inzwischen wirklich dazu steht, frage ich: »Glaubst du, ich irre mich da? Das kann ja absolut sein.« Ohne zu zögern antwortet er: »Wahrscheinlich irrst du dich nicht.«
    Mich interessiert, wie er sich dieses Verhalten selbst erklärt: »Was denkst du, warum du dazu neigst, viel zu lügen und andere zu manipulieren?« »Hm …«, er überlegt länger, bevor er sagt: »Warum ich dazu tendiere, zu lügen und zu manipulieren. Vielleicht weil es ein einfacher und bequemer Weg ist.« »Um das zu bekommen, was man will?«, frage ich – wobei ich bewusst das Wort »man« benutze, damit ich nicht zu vorwurfsvoll klinge. Schließlich ist er bei diesem eher heiklen Thema dieses Mal schon sehr offen, ohne »Ablenkungsmanöver« zu starten. »Man will immer das kriegen, was man will«, erwidert er sofort.
    Ich versuche ihn auf den Unterschied zwischen ihm und vielen anderen Menschen in dieser Hinsicht hinzuweisen, als ich sage: »Ja. Aber du hast kein schlechtes Gewissen, wenn du lügst und manipulierst, um das zu bekommen, was du willst.« Kurz überlegt er, bevor er erwidert: »Wie gesagt, nie lange.« Dabei grinst er, wie ein frecher kleiner Junge. »Und wahrscheinlich auch gar nicht so häufig, oder?«, frage ich ergänzend. »Mhm«, erwidert er und nickt. Dann fügt er hinzu: »In dem Rahmen, in dem ich das betreibe, halte ich es für durchaus vertretbar.« Ich möchte wissen, warum er es für vertretbar hält, häufig zu lügen und andere zu beeinflussen. »Keine Ahnung. Ich halte jeden Einzelfall für vertretbar.«
    »Wiegst du vorher ab, ob der Einzelfall vertretbar ist?«, frage ich. Sofort sagt er: »Och, manche Sachen ergeben sich einfach so.« Ich möchte ihn dazu bringen, sich mit dem Grundprinzip auseinanderzusetzen, das hinter seinem Verhalten steckt: »Man könnte aber schon sagen, du tendierst dazu, Leute so zu manipulieren, dass du unterm Strich wenige Kosten und viel Nutzen davon hast, oder?« Christian überlegt kurz: »Ich würde das nicht als Grundprinzip für mein Beziehungsleben zu wem auch immer – jetzt nicht nur die Freundin, sondern auch generell – darlegen, aber wer tut das nicht? Jeder tut offensichtlich alles in seinem Leben mit Kosten-Nutzen-Abwägung.«
    Christian scheint zu ignorieren, dass sich die meisten Menschen nicht annähernd so strategisch verhalten. Auch bei anderen Gesprächen fiel mir durch solche Aussagen immer wieder auf: Er erfasst oft nicht, dass normale Menschen viel mehr von Gefühlen als von sachlichen Überlegungen gesteuert werden. Ich versuche, ihn darauf hinzuweisen: »Aber für die meisten Menschen fällt unter ›Kosten‹ auch ein schlechtes Gewissen, und das hast du in dieser Form nicht.« Sofort erwidert er: »Ja.« Ich ergänze: »Deswegen tust du das viel mehr als andere Menschen.« Seine Reaktion an dieser Stelle – die er sich im Alltag niemals so erlauben würde – ist sehr authentisch. Er grinst und erwidert: »Ups, ich bin tief betroffen. Ich brauche ein Stoppschild, das schlechtes Gewissen heißt, damit

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