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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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sind.
    Wie die Mutter alle Geschwister der Familie selbst aus dem Gefängnis heraus beeinflusst und ihnen damit schwer schadet, beschreibt Tina so:
    »Ich nehme auf diesem Wege Kontakt zu Ihnen auf, weil ich mir große Sorgen um meine zwei jüngsten Geschwister Linda und Tim mache. Unsere Mutter sitzt seit Anfang des Jahres im Gefängnis. Bisher hat sie insgesamt eine Haftstrafe von 20 Monaten bekommen, soweit ich informiert bin. Jedoch wird sie vermutlich zum Ende des Jahres wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Sie hat die Kinder, bevor sie in Haft ging, bei meinem erwachsenen Bruder Dirk abgegeben. Dort sind die beiden auch jetzt noch.
    In den letzten Wochen und Monaten belastet die familiäre Situation Linda zunehmend mehr, denn inzwischen habe ich jeden Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Mit dem Kontakt zu meiner Mutter ging es mir sehr schlecht, da ich ewig von ihr erpresst wurde und diese Situation nicht mehr ertragen konnte. Jetzt hat sich die Situation so verändert, dass unsere Mutter Linda und Tim unter Druck setzt und erpresst.
    Ich konnte die Kinder zwar bei meinem erwachsenen Bruder Dirk sehen, jedoch waren sie durch die Erpressungen sehr verändert. Unsere Mutter hat ihnen gesagt, dass sie mich nicht mehr alleine sehen dürfen. Wenn sie herausbekommen würde, dass sie mich doch alleine treffen, dann würde sie die beiden Kinder in eine Pflegefamilie geben. Unsere Mutter fragt meine Geschwister regelmäßig, ob sie mich sehen. Linda könnte dauerhaft nicht lügen und dementsprechend würde unsere Mutter es auch schnell erfahren, wenn wir uns alleine getroffen hätten.
    Bis ich den Kontakt zu unserer Mutter abgebrochen habe, war ich für sie gut genug, um mich um alles zu kümmern, auch um die Kinder. Ich habe zum Beispiel Tim zum Fußball gefahren oder Linda zu ihrem Freund. Ich hatte immer einen engen Kontakt mit meinen beiden jüngsten Geschwistern. Wir standen uns sehr nah. Die Situation, wie sie jetzt ist, ist besonders für Linda, aber auch für mich sehr belastend.
    Als ich nach dem Kontaktabbruch mit meiner Mutter zu Dirk fuhr, um meine Geschwister zu besuchen, veränderte sich Linda sehr stark. Anfangs traute sie sich nicht einmal, auf mich zuzukommen. Erst wenn Dirk ihr sagte, dass sie das ruhig tun darf, traute sie sich, ein wenig mit mir zu reden. Inzwischen ist es noch schlimmer geworden, Linda spricht nun so gut wie gar nicht mehr mit mir. Sie verleugnet sich sogar am Telefon und behandelt mich, als wäre ich eine Fremde.
    Unsere Mutter nimmt vor allem Linda mit ihrer Erpressung eine wichtige Bezugsperson. Ich finde es sehr fragwürdig, ob eine Mutter ihre Kinder so unter Druck setzen und die Gefühle ihrer Kinder derartig verletzen darf. Mit ihrem Druck löst sie bei Linda und Tim eine solche Angst aus, dass die Kinder sich nicht mehr trauen, mit ihrer eigenen Schwester zu sprechen. Wie kann eine Mutter, die behauptet, ihre Kinder zu lieben, ihnen so etwas antun? Die Situation an sich, dass Mutter im Gefängnis sitzt, ist schon schwer genug für die Kinder zu begreifen und zu verarbeiten. Gerade deshalb ist es umso schlimmer, dass dann auch noch dieser Druck auf sie ausgeübt wird.«
    Tinas Mutter vernachlässigte ihre zahlreichen Kinder – die von verschiedenen Vätern stammten und davon teilweise nichts wussten. Sie misshandelte sie gefühlsmäßig und körperlich. Tina schildert einige schlimme Erlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend:
    »Ich selbst hatte auch immer Druck durch meine Mutter und weiß deshalb, wie belastend das ist. Als ich noch eine Jugendliche war, hat sie mir immer wieder gesagt, dass sie mich rauswirft, wenn ich nicht tun würde, was sie sagt. Die Situation für mich war unerträglich, denn ich lebte mit der Angst, dass sie ihre Drohung in die Tat umsetzt und ich auf der Straße klarkommen müsste.
    Für uns heute erwachsenen Kinder war es zu Hause normal, dass, wenn die Hausaufgaben fehlerhaft waren oder wir etwas nicht wussten, es nicht lange dauerte, bis wir eine ordentliche Backpfeife von Mutter bekamen. Wenn es bei einer Backpfeife blieb, war das noch harmlos. Es war ein Albtraum. Wir hatten immer Angst, einen Fehler zu machen. Abgesehen davon kamen noch die vielen Beleidigungen und Beschimpfungen von Mutter oben drauf, die uns das Gefühl gaben, ein Nichts oder eher noch das Allerletzte zu sein.
    Als ich fünfzehn Jahre alt war, sammelte ich über mehrere Monate Tabletten, mit denen ich mir das Leben nehmen wollte. Mir war damals nicht klar, dass ich mir

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