Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
gefährlich eingestuft und bleiben ihr Leben lang eingesperrt?
Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall? –
Viele Informationen erschaffen das Gesamtbild
1. Aktenstudium
Das Rückfall-Risiko eines schweren Straftäters zu bestimmen, ist sehr arbeitsintensiv und kompliziert. Zunächst müssen sehr viele Informationen gesammelt, gelesen und richtig genutzt werden. Die erste und wichtigste Quelle hierfür sind die Akten über den Täter. Diese zeichnen für den Experten ein Bild seiner Lebensgeschichte, seiner Persönlichkeit, eventuell auch seiner sexuellen Vorlieben und seiner psychischen Störungen, falls er solche hat.
Die Akten verraten ebenfalls, ob und wenn ja welche Vorstrafen der Straftäter hat, wie es zu der oder den Taten gekommen ist und was der Täter vorher, währenddessen und danach getan hat. Auch ob er überhaupt eine Therapie während der Haft gemacht hat oder ob er noch dabei ist und wie sich diese bisher eventuell auf ihn ausgewirkt hat, muss ein Gutachter oder Therapeut berücksichtigen.
2. Eindruck durch persönliche Gespräche
Aus all diesen Informationen erstellt der Experte in seinem Kopf ein erstes Gesamtbild vom Straftäter und seinen Eigenschaften. Dieses Bild muss er durch persönliche Gespräche ergänzen. Solche Gespräche finden an mehreren Terminen statt und dauern jeweils mehrere Stunden. Der Straftäter äußert sich darin selbst, unter anderem zu seiner Lebensgeschichte, seinen Taten und seiner bisherigen Haftzeit.
Er soll möglichst frei und umfassend sprechen können und seine Gedanken und Gefühle dabei mit eigenen Worten beschreiben. Außerdem soll er berichten, ob er sich seiner Meinung nach während der Haft verändert hat und wenn ja, inwiefern und warum.
Was der Straftäter sagt, wie er es sagt, wie seine Stimmung bei den verschiedenen Gesprächsterminen ist, ob er sich konzentrieren kann, solche und viele andere Beobachtungen bettet der Gutachter oder Therapeut in die vielen Informationen ein, die er bereits über den Fall hat.
3. Tabellen und Testverfahren
Über Aktenstudium und persönliche Gespräche hinaus sind wissenschaftlich gesicherte Testverfahren unerlässliche Informationsquellen. Mit diesen Mitteln können forensische Gutachter und Therapeuten ziemlich genau eingrenzen, wie wahrscheinlich der Rückfall eines Straftäters ist. Seit vielen Jahrzehnten forscht die Wissenschaft intensiv am Thema »Rückfall-Risiko von Straftätern«. Daher gibt es inzwischen unter anderem für ganz unterschiedliche Sexual- und Gewaltstraftaten spezielle »Rückfall-Wahrscheinlichkeits-Tabellen« und »Risiko-Bestimmungs-Testverfahren«.
Die Tabellen geben Auskunft über die Rückfallquoten, die je nach Straftat sehr unterschiedlich sind. Jede Straftat hat ihre eigene »Basis-Rate der Rückfälligkeit«, wie dieser Wert von Experten genannt wird. Ich gebe Ihnen einige Beispiele:
20 bis 30 % der Straftäter, die eine Körperverletzung begehen, tun dies später wieder. Exhibitionisten – also Menschen, die ihre Genitalien in der Öffentlichkeit vor Fremden zur Schau stellen – sind die am häufigsten rückfälligen Sexualstraftäter. Zwischen 30 und 80 % von ihnen hören auch nach einer Verurteilung nicht damit auf. Deshalb kommen exhibitionistische Wiederholungstäter auch in Sicherungsverwahrung. Tötungsdelikte haben dagegen von allen Straftaten die niedrigste Rückfall-Wahrscheinlichkeit: Höchstens 6 % der Straftäter, die wegen Mord oder Totschlag verurteilt werden, begehen so eine Tat nochmals.
Mithilfe dieses Wissens kann ein Experte zunächst grundsätzlich sagen: Gehört der Täter, den ich mir genauer anschaue, zu einer Straftätergruppe mit eher niedriger, mittelmäßiger oder hoher Rückfall-Wahrscheinlichkeit?
Darüber hinaus müssen alle bisher gesammelten Informationen über den jeweiligen Täter über geeignete Testverfahren bewertet werden. Es gibt mittlerweile einige solcher gut funktionierender, wissenschaftlich überprüfter Testverfahren, mit deren Hilfe forensische Psychologen und Psychiater die Rückfall-Wahrscheinlichkeit eines Täters einschätzen können.
Ein Testverfahren, das auf der ganzen Welt vor allem bei Gewalt- und Sexualstraftätern häufig benutzt wird, ist die bereits erwähnte »Psychopathie-Checkliste« von Robert Hare. Über sie wird bestimmt, ob und, wenn ja, wie stark psychopathisch ein Straftäter ist. Je stärker psychopathisch er ist, desto größer ist auch sein Risiko, rückfällig zu werden.
Die Rückfall-Wahrscheinlichkeit
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