Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
sich auch so verhalten. Das ist eine weitere der vielen falschen Annahmen, die in vielen Köpfen herumspuken.
Durch Fernsehen, Zeitungen und das Internet erfahren Sie nur von den seltenen Fällen, in denen Straftäter während einer Lockerung oder nach ihrer Entlassung mit schweren Straftaten rückfällig werden. Von der überwiegenden Mehrzahl solcher Fälle, in denen die Täter keine schweren Straftaten mehr begehen, erfahren Sie nie. So etwas »verkauft« sich nicht.
»Freigelassenes Sex-Monster missbraucht Jungen«. Diese Schlagzeile gab es wirklich, sie spricht Gefühle an und erhöht den Verkaufserfolg der Zeitung. Das würde eine Schlagzeile wie » Ehemaliger Sexualstraftäter berichtet, warum er in den vierzig Jahren seit seiner Entlassung nie rückfällig wurde« nie tun. Die Medien leben davon, den Leuten eine Weltsicht zu verkaufen, in der es nur »schwarz« und »weiß«, »gute« und »böse« Menschen gibt – aber nichts dazwischen.
Der falsche Eindruck, rückfällige Straftäter seien eine große Gefahr für die Allgemeinheit, erzeugt große Angst. Diese Angst machen sich wiederum besonders gerne die Medien und Politiker zunutze. Ein Beispiel dafür ist der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. 2001 benutzte er einen aktuellen Kindermord, um ein paar zusätzliche Wählerstimmen zu angeln. Noch während die Öffentlichkeit von dem Mord erschüttert und verängstigt war, ließ sich Schröder mit der Stammtisch-Parole »Wegschließen – und zwar für immer« zitieren. Jeder Politstratege würde sagen: Perfektes Timing, perfekt genutzt.
Vergleichen Sie die Horror-Geschichten und Stammtisch-Parolen, die Politiker und Medien Ihnen verkaufen, mit den Fakten: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie oder Ihr Kind durch ein Auto oder einen herabstürzenden Baumast schwer verletzt oder getötet werden, ist sehr, sehr, sehr viel größer als die Wahrscheinlichkeit, dass ein therapierter Straftäter während seiner Lockerung oder nach seiner Entlassung über Sie oder Ihr Kind herfällt. Merkwürdigerweise fordert aber niemand, alle Autos und Bäume abzuschaffen, um die Allgemeinheit zu schützen.
Das schmutzige Spiel mit der Angst – »Sex and Crime« in den Medien
Sexualverbrechen, vor allem gegen Kinder, stehen auf der Liste der Themen, die sich am besten verkaufen, weit oben. Daher wird besonders jeder seltene Sexualmord an einem Kind möglichst lange und umfangreich von ihnen »ausgeschlachtet«. Das ist der Grund dafür, warum viele Menschen die Gefahr, ihr Kind könnte gerade solch einem tragischen Verbrechen zum Opfer fallen, stark überschätzen.
Um die wirkliche Gefahr in Deutschland zu verdeutlichen: Zwischen 1999 und 2007 wurden durchschnittlich 5,6 Kinder im Jahr während eines Sexualverbrechens bewusst oder leichtfertig vom Täter getötet. Zum Vergleich: Zwischen 2002 und 2007 starben durchschnittlich 164 Kinder im Jahr durch Unfälle im Straßenverkehr, und durchschnittlich 30731 wurden verletzt.
Sie können an den Zahlen sehr deutlich sehen, wie sehr die »gefühlte« Gefahr von der wirklichen abweicht. Hinzu kommt die von Boulevardmedien gerne totgeschwiegene Tatsache, dass die Zahl der Tötungsdelikte gegen Kinder allgemein – die meisten werden übrigens von Familienangehörigen begangen – in Deutschland seit etwa zwanzig Jahren sehr deutlich zurückgeht.
Sexualstraftaten wie die Vergewaltigung Erwachsener und der sexuelle Missbrauch von Kindern sind in Deutschland nicht häufiger geworden. Sie werden allerdings erfreulicherweise immer häufiger angezeigt. Dies liegt unter anderem daran, dass seit einigen Jahren Kinder in Schulen und Jugendeinrichtungen über sexuellen Missbrauch informiert werden und erwachsene Vergewaltigungsopfer Beratung und Unterstützung – beispielsweise bei Organisationen wie dem »Weißen Ring« – erhalten können.
Sehr vielen Opfern fällt es dennoch weiterhin schwer, solche Sexualstraftaten anzuzeigen, weil die Täter aus ihrem nahen Umfeld stammen. Kinder werden in den allermeisten Fällen durch Bezugspersonen wie Verwandte, Freunde der Familie, Lehrer oder Betreuer missbraucht. Auch Vergewaltigungen von Frauen werden am häufigsten von Männern begangen, welche die Opfer persönlich kennen. Oft sind es Partner, Verwandte, Freunde oder Bekannte. Umso erschreckender ist die Tatsache, dass Vergewaltigung durch den Ehepartner in Deutschland erst seit 1997 strafbar ist. Aber auch dadurch werden heute mehr Vergewaltigungen angezeigt als früher.
Leider
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