Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Kinder, die sich dauerhaft rücksichtslos anderen gegenüber verhalten, die aus keiner Strafe lernen und nie ein aufrichtiges schlechtes Gewissen zeigen, werden sehr viel häufiger zu lebenslangen Kriminellen als andere. Viele dieser Kinder entwickeln – wenn sie nicht rechtzeitig therapiert werden – das, was Psychologen und Psychiater eine »Antisoziale Persönlichkeitsstörung« oder in selteneren Fällen eine »Psychopathie« nennen.
Ein sehr krasses Beispiel für diesen Zusammenhang zwischen schlimmer Kindheit und gewissenlosem, grausamem Verhalten ist der Fall von Beth Thomas. Ihre Mutter starb, als Beth ein Jahr alt war. Von da an kümmerte sich der alkoholabhängige, gewalttätige Vater um sie und ihren wenige Wochen alten Bruder Jonathan. Er vernachlässigte und misshandelte die Kinder körperlich. Außerdem missbrauchte er Beth als Baby regelmäßig sexuell.
Als Beth anderthalb und Jonathan ein halbes Jahr alt waren, wurden sie von einem Pfarrer und seiner Frau adoptiert, die keine leiblichen Kinder bekommen konnten. Obwohl die Kinder noch sehr jung waren und die Adoptiveltern alles versuchten, um ihnen ein liebevolles Zuhause zu schenken, verhielt sich vor allem Beth außerordentlich auffällig. Bevor sie im Alter von sechs Jahren in eine Therapie kam, tat Beth Dinge, wie sie ein Horrorfilm-Autor kaum erschreckender für ein kleines Mädchen hätte erfinden können.
Mehrmals am Tag befriedigte sie sich selbst, teilweise bis ihre Vagina blutete, auch in der Öffentlichkeit. Wie oft ihre Stiefeltern auch erklärten, dass sie dies vor anderen Menschen nicht tun dürfe, es zeigte keine Wirkung auf Beth. Sie quälte und tötete Tiere. Immer wieder schlug sie ihren kleinen Bruder brutal, sie stach ihn mit Nadeln und führte sexuelle Handlungen an ihm durch. Sie versuchte mehrmals, ihn zu töten, und äußerte auch immer wieder, dass sie ihre ganze Familie töten wolle.
In Videoaufnahmen, die ihr Therapeut machte, erzählt das kleine, hübsche Mädchen mit einer ruhigen, niedlichen Stimme von ihren Taten und ihren Gedanken. Sie zeigt dabei am Anfang keinerlei Gewissensbisse, alle anderen Menschen und auch Tiere scheinen ihr egal zu sein. Ihr ist vollkommen klar, dass die grausamen Dinge, die sie tut, absolut nicht richtig sind. Dennoch zeigt sie keinerlei Mitgefühl, nichts außer ihren eigenen Gefühlen und Gedanken ist ihr wichtig.
Im Zuge einer langen Therapie, während der Beth rund um die Uhr von Therapeuten betreut wurde, lernte sie zu fühlen und zu denken wie normale Menschen. Auf Videoaufnahmen nach über einem Jahr Therapie wirkt das inzwischen siebenjährige Mädchen ganz anders als am Anfang. Sie zeigt deutlich Mitgefühl, Scham und Schuldgefühle wegen ihrer früheren Taten und kann – im Gegensatz zu vorher – darüber weinen.
Ihr verstörendes, für sie und andere gefährliches Verhalten änderte sich durch die jahrelange Therapie von Grund auf. Heute – über zwanzig Jahre später – ist Beth eine Krankenschwester, die nie kriminell wurde. Sie und ihre Stiefmutter setzen sich für die Behandlung von missbrauchten und misshandelten Kindern ein, die ähnlich gestört sind, wie Beth es einmal war.
15. Von der Schule in den Knast
– Der kleine Ganove
Stark ausgeprägte Psychopathen werden oft spätestens als Jugendliche kriminell und bekommen erste Vorstrafen. Sie werden gewalttätig, stehlen, brechen ein, begehen Überfalle; andere handeln mit Drogen, besitzen unerlaubt Waffen. Manche begehen auch schon Vergewaltigungen oder missbrauchen Minderjährige.
Einige werden sogar zu Mördern. Der sadistische, pädophile Kinderserienmörder Jürgen Bartsch missbrauchte, folterte und tötete sein erstes Opfer – einen achtjährigen Jungen –, als er selbst gerade 15 Jahre alt war. Bereits ein Jahr zuvor hatte er einen Jungen in jenen Bunkerstollen gelockt, der später zum Tatort seiner vier Morde wurde. Diesen zwang er, sich auszuziehen, doch der Junge konnte fliehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bartsch bereits jahrelang seine Eltern bestohlen und war immer wieder körperlich übergriffig gegenüber anderen Kindern geworden.
Ein Straftäter, mit dem ich arbeitete, als er Mitte zwanzig war, hatte seit früher Jugend zahlreiche Vorstrafen. Er stahl schon in einem Alter, als er noch nicht dafür verurteilt werden konnte – zunächst bei seiner Mutter, dann auch in Geschäften. Bald begann er, EC-Automaten zu bearbeiten, sodass er die Karten der Kunden auslesen und deren Geld stehlen
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