Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
Vom Netzwerk:
Waivia!«, keuchte ich, aber der Geist meiner Mutter ließ kein Argument gelten. Er war wahnsinnig vor Besessenheit, gewaltig in seiner Überzeugung. Er würde nicht erlauben, dass dieses kleine Mädchen von dem Konvent entfernt wurde. Von mir.
    Nehmt mir mein Baby nicht weg!
    Der Geist riss mir die Hände von den Ohren, schleuderte meine Arme auf die Djimbi neben mir.
    Der Geist benutzte mich wie eine Marionette, mit ungeheuerlicher Gewalt. Ich war wie eingemauert in einem schweren Gehäuse aus Fleisch, wurde erstickt, konnte nicht atmen, und meine Sehkraft schwand, verhüllt von einem Laken aus zäher, blauer Dunkelheit.
    Mit einem mächtigen Hieb zerschnitt eine rote, feuchte Klinge das Laken, befreite mich, trennte den Spuk von mir ab. Ich stand kalt, verschwitzt und zitternd auf den Dielen des Dachbodens. Eine Djimbi stand vor mir, drückte sich warm an mich, ihre Nase nur Zentimeter von meiner entfernt. Ich schmeckte ihren pfeffrigen Atem auf meinen Lippen, als sie merkwürdige Worte murmelte. Ihre Hände zerrten an der Luft über meinem Kopf, als würde sie riesige Spinnweben entfernen, sie stampfte und marschierte auf der Stelle, als würde sie versuchen, etwas unter den Sohlen ihrer nackten Füße zu halten.
    Ich hielt eines von Kiz-dans Babys an die Brust gedrückt, als wollte ich es vor der Djimbi beschützen. Das Baby rülpste herzhaft, sein kleiner, rauer Schrei war das einzig Unschuldige auf dem Dachboden.
    Die Djimbi zuckte von mir weg, warf die Arme über den Kopf und dann in einem weiten Bogen nach hinten, auf den Rücken. Ihre Schultergelenke knackten unter dieser brutalen, unnatürlichen Bewegung. Sie schrie etwas, sah sich um. Schüttelte den Kopf. Sah mich an. Schüttelte wieder den Kopf.
    Ich zitterte vor Kälte. Ich wollte mich so gern setzen.
    »Die hier ist von einem Spuk besessen, he-he. Kriegt ihn nicht los. Klebt fest an ihr.«
    »Mama!«, wimmerte ich und fing an zu schluchzen.
    Nach einem Moment nahm Gelbgesicht mir das Baby weg.
    Ich sah ihre Miene nicht, aber ich konnte sie spüren: Gespitzte Lippen, gerunzelte Stirn, blutunterlaufene Augen, die unnatürlich starr waren und vor Wut funkelten.
    Sobald man mir die Wärme des Babys wegnahm – was sich fast wie eine Amputation anfühlte -, brach ich auf dem Boden zusammen, zog die Knie an meine Brust und schaukelte hin und her.
    Gelbgesicht legte das Baby sanft neben Kiz-dan. Holte zwei Macheten und gab sie den Frauen. Die Djimbi glitten lautlos die Treppe hinab und verschwanden in der Nacht.
    Trotz des heiseren, an-und abschwellenden Klageliedes, mit dem die Onai unsere gestorbene Älteste ehrten, hörte ich den Schrei des Kindes, das die Djimbi mitnahmen, den Schrei, als es von seiner Mutter und seinem Zwilling getrennt wurde.

18
    I n dieser Nacht hielt die Furcht den Schlaf fern.
    Ich wagte nicht, die Augen zu schließen; weigerte mich, dem Geist meiner Mutter die Chance zu geben, in mich einzudringen.
    Ich versuchte zu weben, aber das Tock-Tock meines Schiffchens auf dem Webrahmen wollte einfach keinen gleichmäßigen Rhythmus annehmen. Sein Stakkato hinderte meine Schwestern am Schlafen, und das Tuch, das ich wob, war knotig und grob. Gelbgesicht befahl mir zischend, damit aufzuhören.
    Also hockte ich mich neben Kiz-dan und betrachtete ihr Baby.
    Ich spürte immer noch die wächserne Kühle von Bojests toter Haut. Ich hatte ihren Arm gepackt, um sie auf unsere Leichenbahre zu rollen. Trotz ihres zierlichen Körpers war sie schwer gewesen, als hätte ihr Leib im Tode jedes Wort aufgenommen, das sie je geäußert hatte, und es in etwas Konkretes, Schwammiges verwandelt. Wir acht Onai, die wir ihren aufgeblähten Kadaver in den Dschungel schleppten, hatten unter ihrem Gewicht gestönt, waren merkwürdig marschiert, mit verrenkter Hüfte, und oft im Dunkeln gestolpert. Die Bahre hatte meine Schulter aufgescheuert.
    Ich hörte im Geiste noch das dumpfe Plumpsen, mit dem Bojests Leichnam auf den Boden des Dschungels fiel.
    Ich wiegte sacht den Korb des Babys, um dieses Geräusch abzuschütteln.
    Mitternacht kam.
    Ich sehnte mich nach der Siebten Anbetung, zu der die anderen Onai sich seufzend und stöhnend von ihren Schlafmatten erheben würden. In der Zeit-der-Nässe-Ecke der Mühle lagen die Bayen zusammen, ein Haufen glatten Satins, der perlmuttern glänzte. Wir hatten ihre Geschmacksknospen mit Pfefferfrucht beim Abendessen betäubt und ihnen einen mit Drachengift und Kräutern versetzten Wein serviert. Sie schliefen tief, und ihre

Weitere Kostenlose Bücher