Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Kind etwas abzuschneiden, das wegen seines geringen Alters vielleicht aufwuchs, ohne dessen Fehlen zu bemerken, vor allem, wenn es von Frauen umringt war.
Aber das war nicht der einzige Grund, warum uns die Kastration zuwider war, sondern es war die Tat selbst. Niemand wusste, wie man einen Jungen kastrierte. Wir hätten das Kind dabei umbringen können.
Also arbeitete Kiz-dan weit entfernt von Gelbgesicht und verhielt sich still, unterwürfig, ja, sie machte sich fast unsichtbar. Sie war nicht die Kiz-dan, die ich kannte, obwohl ich sie immer noch auf eine nostalgische, eifersüchtige Weise mochte. Sie war erwachsen geworden, hatte mich, unsere Streiche und Zwistigkeiten und die Aufsässigkeit hinter sich gelassen.
Alle halfen stillschweigend dabei, Kiz-dan unsichtbar zu machen. Sie wuschen die beschmutzten Windeln des Jungen, ohne dass Gelbgesicht es sah, sprachen nie von ihm, wenn sie in Hörweite war, und taten alles, um ihn glücklich und ruhig zu halten, wenn sie sich in der Nähe aufhielt. Es war ein Segen, dass das Baby so teilnahmslos war.
Nnp-trn spielte am häufigsten mit ihm.
Was Schönchen anging … Den Trick, den Nnp-trn bei mir angewendet hatte, mir mit Gift versetztes Wasser zu geben, als mein Durst am schlimmsten war und mein Verstand gerade in einer Talsohle steckte, eben diesen Trick wendete Gelbgesicht bei Schönchen an.
Im Nachhinein glaube ich, dass Gelbgesicht nicht deshalb so lange damit gewartet hat, um herauszufinden, ob sie Schönchens Willen nicht doch brechen konnte, sondern weil sie von der Verantwortung als Konventälteste überwältigt war. Schließlich jedoch kehrte ihre angeborene Rechthaberei zurück, wendete sich aber zum Guten. Gelbgesicht herrschte über Tieron Nask Cinai, und wir alle wussten und akzeptierten es.
Ich war bei Schönchens Beschneidung dabei. Diesmal übergab ich mich nicht, obwohl ich die Augen schloss und laut summte, mit zusammengebissenen Zähnen. Die ganze Angelegenheit ging allerdings schnell vonstatten, denn die ausgelaugte junge Bayen lag reglos wie eine Tote unter Gelbgesichts Messer.
Als man mir die Blutflecken auf ihrer Schlafmatte zur Interpretation vor die Nase hielt, gab ich ihr sofort einen Namen: Ohd-sli. Ich hatte den Namen schon vorher nach reiflicher Überlegung ausgesucht.
Ich wusste, dass sie lesen konnte, das hatte sie ja selbst gesagt, und ich versuchte mit dem Namen, ihr fortgesetztes Schweigen zu erkaufen, was meine Beteiligung an dem Verlust von Kiz-dans Mädchen betraf.
Natürlich bedeutet Ohd-sli nichts. Es war nur ein Klang, so bedeutungslos wie die Namen fast aller Onai. Gemäß der Konvention hat der Name einer heiligen Frau aus zwei Silben zu bestehen, jede aus jeweils drei Schriftzeichen. Diese Zahl in unseren Namen, die Sechs, erinnert uns daran, dass wir in zweierlei Hinsicht mangelhaft sind und nicht einmal mit unseren geschriebenen Namen die heilige Zahl Acht erreichen können. Erstens sind wir minderwertig, weil wir Menschen, keine Drachen sind. Und zweitens sind wir Frauen.
Die Zeichen, die den Klang Ohd-sli repräsentieren, der offene Mund des O und das Schlagen der Zunge hinter den Zähnen für das glatte sli , sehen aus wie der Stängel einer gekräuselten Heliconia. Es ist ein starkes, sinnliches Bild, das etwas sehr Menschliches hat und ganz und gar nicht an etwas Heiliges erinnert.
Ich hoffte, dass Ohd-sli die Ironie zu schätzen wusste, dass eine heilige Frau einen solch erotischen Namen trug, hoffte, sie würde meine subtile Aufsässigkeit zu schätzen wissen, mit der ich ihr diesen Namen gegeben hatte.
Hoffte, dass sie weiter schweigen würden, was Kiz-dans verlorenes Kind anging.
Als Nae-ser den Namen hörte, bildete sie ihn lautlos mit den Lippen und dachte die Schriftzeichen in ihrem Kopf. Dann dämmerte es ihr. Sie versteifte sich und errötete. Später am Tag rief sie mich unter dem Vorwand zu sich, ich solle ihr dabei helfen, einen Korb mit Steinen anzuheben, die sie aus dem Garten geklaubt hatte.
»Das war das einzige Mal, Zar-shi. Verstanden? So ein Streich kann uns alle dem Messer der Revisoren überantworten. Die können lesen und schreiben, vergiss das nicht.«
Ich murmelte mein Einverständnis.
Was veranlasste mich zu dem ersten Versuch, meinen mit Gift versetzten Trunk Ohd-sli in ihren langen glatten Hals zu schütten? Furcht? Faszination? Wahrscheinlich beides zu gleichen Teilen, denke ich. Lust ist letztlich auch eine Art von furchtsamer Erwartung.
»Was ist das?«, knurrte sie
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