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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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nicht besser behandelt als die brüske, strenge Yin-gik.
    In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich wusste, wie ich uns retten konnte. Den Konvent, die Onai, unser Leben, unser Baby.
    Mutter.
    Ich hatte einmal ihren Geist gerufen, hatte ihre Gabe des Feuers zu unserem Wohle kanalisiert. Ich konnte das bestimmt noch einmal tun.
    »Was?«, fragte Gelbgesicht scharf. »Was hast du, Zar-shi?«
    »Ich schlage sie in die Flucht«, sagte ich, verwirrt, weil mir diese Idee nicht schon früher gekommen war. »Mit Feuer. Wie in der Nacht, als wir den alten Maht gekocht haben …«
    »Unsinn!«
    »Ich kann es! Es könnte funktionieren. Du hast gesehen, was ich getan habe. Ich könnte dasselbe noch einmal bewerkstelligen. Ich verbrenne ihre Zelte, treibe sie in den Dschungel, umgebe Tieron mit einer Wand aus Feuer …«
    »Bist du verrückt geworden? Wozu?«
    »Um uns zu retten!«
    »Dummes Kind. Denk nach. Kannst du die Macht des Tempels abwehren? Nein. Wie viele Revisoren und Hüter befehligt der Ashgon des Ranon ki Cinai? Schlage den Ranreeb der Dschungelkrone in die Flucht, dann bekommst du es als Nächstes mit ihm zu tun, Mädchen, dem Ashgon selbst, dem Oberhaupt des Tempels des Drachen. Und hinter dem Ashgon, im Archipel, steht der Imperator mit seinen Kriegerlegionen.«
    »Aber jemand muss das aufhalten! Wir haben nichts Falsches getan.« Also gut. Vielleicht hasste ich Gelbgesicht nicht; jedenfalls schluchzte ich, mein Herz brach, und wir hatten wirklich nichts Falsches getan.
    »Hör mir zu, Zar-shi.« Sie hielt mein Kinn mit einer Hand. Dabei reichte sie mir nur bis zum Kinn, und ich war nicht einmal sonderlich groß. Vorher war es mir nie aufgefallen. Gelbgesicht war klein.
    »Du bist mit dieser Besessenheit von deiner Mutter verflucht, verstehst du?«, sagte sie. »Schüttele sie ab, sobald du kannst, sonst wird sie jede deiner Handlungen dominieren, ob du es weißt oder nicht. Schüttele diesen Spuk ab!«
    Ich versuchte, mein Gesicht abzuwenden, aber sie hielt mich fest, schüttelte mich.
    »Gib dich nicht dem Groll hin, den Erinnerungen provozieren können, heho!«, zischte sie. »Lass dich nicht von der Wut und der Macht dieses Spuks verführen.«
    »Aber …«
    »Du kannst lesen, du kannst schreiben, du arbeitest gut mit Drachen. Du bist beschnitten, du bist klug, hast eine schnelle Auffassungsgabe, du kennst den geheimen Ritus. Benutze all das, wenn du etwas verändern willst. Verbrenne nicht das, was du zerstören willst. Du würdest an der Asche ersticken.«
    Sie riss ihre Hand zurück und stieß mich vor die Brust. »Und jetzt geh!«
    Damit drehte sie sich um und entfernte sich.
    »Warte«, rief ich atemlos.
    Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um.
    »Hast du … hast du jemals die Gedanken der Drachen verstanden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dieses göttliche Mysterium ist immer außerhalb meiner Reichweite geblieben.«
    Ich fühlte die Trauer hinter diesen Worten, als wäre sie meine eigene.
    »Hast du jemals diese Transzendenz wiederholen können? Nur mit Gift und deinen Händen?«
    Jetzt wandte sie sich mir zu und sah mich an. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Nein«, erwiderte sie heiser. »Dieses Geschenk kann nur ein Drache geben, Zar-shi. Ich weiß nicht, warum. Und jetzt geh, geh!«
    »Du machst einen Fehler!«, kreischte Ohd-sli vom oberen Treppenabsatz. »Geh nicht!«
    Ich schob die Giftblase in meine Schärpe und trat zu Kiz-dan.
    »Fertig?« Ich weinte.
    Sie nickte und trat aus der Tür der Mühle hinaus.
     
    Die Reise zurück nach Brut Re erwies sich als ebenso schwierig und anstrengend wie damals die in umgekehrter Richtung, vor etwa sechs Jahren, als ich die Brutstätte verließ. Nur dass ich jetzt nicht fürchtete, dass jemand mein wahres Geschlecht erkannte. Jetzt hatte ich Angst vor dem plötzlichen Auftauchen eines Revisors. Statt Schläge und Knüffe von Gleichaltrigen zu erdulden, litt ich unter Egeln und Hunger und den eiternden Bissen von Tausenden unsichtbarer Insekten. Denn statt auf einer alten Tierhaut neben meiner Mutter auf dem Karren eines reisenden Händlers zu schlafen, wälzte ich mich unruhig neben Kiz-dan und ihrem Baby im Dschungel.
    Wie kläglich meine sorgfältig errichteten Lagerfeuer neben den verstohlenen Geräuschen wirkten, die uns in der Dunkelheit umschlichen.
    Morgens und abends strichen wir dem Baby eine wächserne Salbe auf die Haut, welche die Onai uns gegeben hatten. Sie sollte die Krankheit abwehren, die von den Moskitos

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