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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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ausgelöst hatte. Obwohl ich Kiz-dan wegen der Kleidung der Makmakis vorgewarnt hatte, hätte dieser ungewöhnliche Anblick vermutlich ihre angespannten Nerven überstrapaziert.
    Unser Wagen kam knarrend zum Stehen. Der Drache, der im Geschirr ging, schnaubte und scharrte auf dem Boden. Der Fahrer, ein Akolyt mit einem Grübchen im Kinn, saß einen Moment da und gähnte.
    Wie klein sein weiblicher Drache auf mich wirkte, nach so vielen Jahren, in denen ich nur die Kuneus unseres Konvents gesehen hatte. Wie schlank und zierlich, wie nackt ohne die Fühler, wie schlicht mit den rostbraunen und moosgrünen Schuppen statt des schillernden Dunkelgrüns und Rosinenrots der Haut eines Bullen.
    Ihre Schwingen waren ihr selbstverständlich schon als Jungdrache amputiert worden, so wie alle Schwingen aller Drachen in Brut Re, außer denen in den Stallungen von Roshu-Lupini Re. Ihre Giftsäcke waren ihr ebenfalls im selben Alter entnommen worden. Dennoch sah ich sie mit einer Zärtlichkeit an, die von meiner Intimität mit den Bullen herrührte. Mehr als Zärtlichkeit, ich fühlte mich mit ihr verbunden. Ich wusste, dass sie nicht nur ein göttliches Wesen war, das wegen seines Geschlechts als ein – immerhin angesehenes – Lasttier gebraucht wurde. Ich sah in ihr die vernunftbegabte Kreatur mit uralten Erinnerungen, die sie mit all ihren Vorfahren und allen lebenden Drachen verbanden. Ein solches Band würden wir Menschen niemals zueinander knüpfen können.
    Ich fing ihren Blick auf. Weisheit schlummerte in diesen traurigen, müden Augen. Ja, Weisheit, ähnlich der, die ich in den Augen gefangener Affen gesehen hatte, die ihre winzigen Babys an ihre Brust drückten.
    Ich fragte mich, ob der Tempel von den uralten Erinnerungen der Drachen wusste. Das bezweifelte ich. Denn wenn sie es wussten, musste einer aus dem Tempel irgendwann an einem ähnlichen Ritus teilgenommen haben wie dem, den ich mit Lutche vollzogen hatte. Eine solche Intimität war für einen Mann unmöglich. Und in der Tempelhierarchie gab es nur Männer.
    Es sei denn, dass irgendwo und irgendwann eine Frau, die sich dem Ritus unterzogen hatte, es einem Mann verraten hätte, der dieses Wissen wiederum an den Tempel weitergegeben hatte. Was hatte Gelbgesicht noch gesagt: ›Jeder, der von dem Ritus weiß, wird erraten, auf wie intime Weise ihr des Giftes teilhaftig geworden seid.‹
    »Hilf mir mit den Urnen«, sagte der Akolyt, der uns zur Zone der Toten gefahren hatte, und seufzte, als erwartete er, dass ich mich weigerte. Das war der Dienst gewesen, mit dem ich die Fahrt erkauft hatte. Ich sollte ihm helfen, seine Ladung auszuladen, wenn er sein Ziel erreicht hatte. Ich spielte immer noch die Rolle eines jungen Mannes.
    Kiz-dan schaukelte nervös ihr schlafendes Baby, während ich mit dem Akolyten schwitzte und schuftete, die Urnen vom Karren lud. Unwillkürlich betrachtete ich währenddessen den Tempel, denn in seinem eingefallenen Amphitheater brannten keine Kohlenbecken, kein Rauch quoll aus seinem schmucklosen Schornstein. Keine Akolyten fegten den Staub weg, den der Wind hineinblies, und keine Drachenjünger stolzierten in Clackron-Masken umher und lasen aus Schriftrollen. Selbst in dem dämmrigen Zwielicht sah ich, dass dieser Tempel ein nüchterner, vernachlässigter Ort war, dessen Säulen aus Ziegelsteinen und zerbrochene Dachziegel von Sonne und Regen ausgebleicht waren.
    »Was habt ihr für mich? Blut? Blut?«, brüllte eine heisere Stimme. »Was habt ihr mir gebracht?«
    Auf der anderen Seite des Karrens hockte sich Kiz-dan instinktiv neben das zerfurchte Wagenrad. Aus dem Dämmerlicht des Amphitheaters tauchte ein schlanker Hüne auf, der die Gürtelkette um seine Drachenjüngerrobe hinter sich herschleifte wie eine Schleppe. Sein Bart war in der Mitte zweigeteilt, und jede Hälfte trug er über die Schulter geworfen, wie einen Umhang. Ein Teil seines Schädels war kahl und von Altersflecken übersät, auf dem anderen wuchs schwarzes Haar, zu Zöpfen geflochten. Er schwankte wie ein Betrunkener zu den Kisten, die wir auspackten, und begann, an ihnen zu schnuppern. Einer versetzte er einen wütenden Hieb mit seinem Stock. Ich wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren.
    »Ungenügend! Minderwertig. Nimm es wieder mit. Blut! Blut!«
    Der Akolyt ignorierte seinen Vorgesetzten und nickte mir müde zu. »Alles in den Tempel, heho!«
    Zitternd nickte ich und bückte mich, um eine Urne auf den Arm zu heben. Während ich hockte, zischte ich: »Bleib

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