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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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Sein Griff um meine Taille wurde stärker, ich zerrte heftiger. Er ließ mich los, weil er keine Aufmerksamkeit auf uns lenken wollte, weil wir uns stritten.
    Ich trat vor, lautlos, wie eine Nebelgestalt, um den Asak-Illyas im Auge zu behalten.
    Der Junge stand vor der Sänfte, den Blick starr geradeaus gerichtet. Er läutete wieder mit der Glocke, in einem unregelmäßigen Rhythmus.
    Kratt stand direkt links hinter ihm. Nur ein Vater sollte sich so über seinen jungen Sohn stellen, und nur, um ihn zu beschützen. Kratt jedoch war die Drohung deutlich anzumerken. Drohung und Boshaftigkeit.
    Sie gingen weiter, Asak-Illyas, Kratt und die Sänftenträger, mit der Sänfte und der Frau darin. Ich folgte ihnen zwar bis zum Ende der Gasse, jedoch nicht weiter. Meine Schritte wurden langsamer, und die Sänfte entfernte sich, ebenso wie dieser kleine, schwer geprüfte Junge, der bei seiner Geburt verstümmelt worden war, um Zeit seines Lebens ein leibeigener, heiliger Diener zu sein, der in seine trostlose Zukunft schritt und mich hinter sich ließ.
     
    Es war nicht viel, was ich da mitangesehen hatte. Aber es erschütterte mich. Die nackte Furcht des Jungen, seine Ohnmacht, seine Verletzlichkeit, seine Jugend. Die Möglichkeit, dass er mein Bruder hätte sein können, ein Baby, dem ich mit meiner hellen kindlichen Stimme etwas vorgesungen hatte, als er noch im Bauch meiner Mutter war.
    Und Kratt. Ihn nach all der Zeit wiederzusehen, nach allem, was ich ihm an den Hals gewünscht hatte, nach meinen besessenen wiederholten Fantasien … Es entsetzte mich, dass ich wieder daneben gestanden und nichts unternommen hatte, als Kratt sich erneut den Wehrlosen gegenüber so grausam verhalten hatte. Es widerstrebte mir, dass trotz der vielen Monate, in denen ich den Hass auf diesen Mann kultiviert, seinen Tod geplant hatte, die Furcht vor ihm meinen Verstand und meine Glieder gelähmt hatte, gerade dann, als sich mir eine Gelegenheit bot, all diese finsteren Träume wahr werden zu lassen.
    Der Makmaki-Bruder und ich kehrten bei Einbruch der Dämmerung zu unserem Gawabe zurück.
    Yimyam schlief, nachdem er sich den ganzen Tag damit verausgabt hatte, Unsinn anzustellen. Kiz-dan, die erschöpft und ausgelaugt war, bestand darauf, dass wir den verwundeten Bruder am nächsten Morgen zum Tempel Ornisak brachten. Er fieberte, und seine Wunde blutete und eiterte immer noch. Sie fürchtete, dass selbst die teuren Medikamente eine Infektion nicht verhindern konnten, es sei denn, die Wunde würde genäht.
    Ich achtete kaum auf ihre geflüsterte Beratung mit dem gesunden Bruder, als ich mich zum Schlafen fertig machte.
    Aber der Schlaf kam nicht.
    Noch lange, nachdem die tiefen, regelmäßigen Atemzüge der anderen mir verrieten, dass sie schlummerten, lag ich wach. Ich hörte immer wieder dieses feuchte, laute Klatschen einer Männerhand auf einer Jungenwange. Ich wälzte mich herum, warf mich hin und her, ballte die Fäuste, biss die Zähne zusammen, und mein Herz raste. In dieser Nacht verfolgten mich keine Visionen; die Erinnerung erzeugte genug Bilder, die jeden friedlichen Schlaf vertrieben.
    Was für eine lange, dunkle Nacht.
    Gelegentlich stöhnte der verwundete Makmaki-Bruder oder schrie im Schlaf. Dann standen Kiz-dan oder der gesunde Bruder auf, redeten beruhigend auf ihn ein, trockneten seine schweißnasse Stirn und gaben ihm Wasser. Yimyam brabbelte im Schlaf eine Reihe unverständlicher Laute.
    Wie schlief dieser Asak-Illyas?, dachte ich. Und wieso hatte ich ihn einfach gehen lassen, wo er doch mein Bruder hätte sein können?
    Wie schlief Kratt?
    Ich hätte ihn in dieser Gasse so einfach töten können! Ich hätte nur hinter ihm auftauchen müssen, einen schweren Stein aus der Mauer in der Hand, den ich ihm auf den Hinterkopf schmetterte. Ich hätte es tun und fliehen können, bevor die schwerfälligen Sänftenträger reagiert hätten.
    Aber nein. Ich hatte dagestanden und nichts getan.
    Gar nichts.
    Im Morgengrauen ergoss sich ein Wolkenbruch über uns. Das unablässige Trommeln auf dem Dach reizte mich ungeheuerlich, also stand ich auf. Ich konnte nicht länger liegen bleiben, konnte keinen Moment länger passiv bleiben. Ich zog die Machete unter meiner Schlafmatte hervor, ihrem üblichen Platz. Die Machete, die Gelbgesicht mir in Tieron gegeben hatte.
    Ich fuhr mit der Klinge über den Rand meiner Matte. Sie schnitt tief ein, mühelos. Gut.
    Gut genug für Kratt.
    Dann schlich ich zur Tür des Gawabes und nahm die verschlissene

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