Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Sänfte roch nach Samt und zerdrückten Weintrauben.
Die Glocke läutete unablässig.
Ich starrte der Sänfte nach, die jetzt den Blick auf den Jungen versperrte.
»Beweg dich«, murmelte der Makmaki-Bruder und stieß mich leicht in den Rücken.
Aber in dem Moment wurde der Vorhang der Sänfte abrupt zurückgezogen, und eine schlanke weibliche Hand winkte. »Wo sind wir?«, rief die Frau. »Haltet an, sofort!«
Die Sänftenträger kamen zum Stehen. Der Junge mit der Glocke, dieser unsichere Jüngling in dem Gewand eines Asak-Illyas, stolperte hastig zu der Sänfte. Sie unterhielten sich, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Der Asak-Illyas schüttelte heftig den Kopf, trat einen Schritt zurück und stritt vehement ab, wessen man ihn gerade beschuldigt hatte.
Auf einen Befehl aus dem Inneren setzten die Träger die Sänfte ab. Wie ihre Muskeln zitterten, als sie sich bemühten, sie vorsichtig abzustellen.
Der Asak-Illyas wich noch weiter von der Sänfte zurück und drückte seine Glocke an seinen Bauch. Er biss sich auf die Lippen. Weinte er? Das war aus der Entfernung schwer zu erkennen, bei dem ganzen Nebel, der zwischen uns waberte.
Ein Kopf und ein Fuß tauchten aus der Sänfte auf. Flachsgelbes Haar, schwarze Stiefel.
Kratt.
Ich erriet es, noch bevor ich ihn sah. Und obwohl ich ihn nicht mehr gesehen hatte, seit er ein junger Mann und ich ein staunendes Kind gewesen war. Ich wusste, dass er es war, einfach aufgrund der unvermittelten Spannung, die in der Luft lag, und aufgrund des xxeltekischen Blonds seiner Haare. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Kratt stieg mit fließender Geschmeidigkeit aus der Sänfte und baute sich vor dem hilflosen Asak-Illyas auf. Erneut redeten sie miteinander, während die Frau in der Sänfte eine bissige Bemerkung einwarf. Wieder stritt der Asak-Illyas etwas heftig ab. Der Junge drückte die Glocke an den Bauch, als wäre sie sowohl Schild als auch Mutter.
Kratt schlug zu.
Er hob den Arm und schlug dem Jungen mit dem Handrücken ins Gesicht, legte die ganze Kraft eines erwachsenen Mannes in den Schlag.
Dieses Geräusch brannte sich in mein Gedächtnis ein; ich höre es selbst jetzt noch in den unerwartetsten Augenblicken. Wenn ein Seemann einen schweren frisch gefangenen Fisch auf das Deck wirft oder eine reife Terimelone auf den Boden fällt und bei dem Aufprall aufplatzt; wenn eine Wäscherin ein nasses Kleidungsstück auf den Waschstein klatscht.
Die Wucht des Hiebes riss den Asak-Illyas von den Füßen. Er flog mehrere Schritte durch die Luft und landete schlaff auf dem harten Boden der Gasse, die Arme gespreizt. Ich fühlte den Aufprall unter den Sohlen meiner Füße. Seine Glocke landete mit einem metallischen Klirren etwa eine Armlänge von seinen kraftlosen Fingern entfernt.
Mein Herz schien in zwei Teile zu reißen, von denen sich jedes in einem meiner Ohren einnistete. Ihr Pochen machte mich taub für alle anderen Geräusche. Ich machte einen Schritt nach vorn; der Makmaki-Bruder hielt mich zurück. Ich war mir seines eisernen Griffs um meine Taille vage bewusst, wegen seines Gewandes, das nass an meinem klebte, als er mich an sich drückte.
Kratt näherte sich dem gestürzten Jungen mit angespannter, lässiger Eleganz. Dann stieß er ihn unfreundlich mit seinem Stiefel an. Der Junge wirkte so klein, so dünn und zerbrechlich, wie er so dalag. Sein rosa Gewand war bis zu seinen knochigen Knien hochgerutscht und entblößte seine dürren Beine.
Kratt hatte ihn umgebracht. Ganz einfach, beiläufig.
Kratt brüllte den toten Jungen an. Der Leichnam zuckte, rührte sich. Erschöpft stützte sich der Junge auf einen Ellbogen.
Er lebte! Ich hätte vor Erleichterung beinahe gejubelt.
Schwankend wie ein Betrunkener, rappelte sich der Asak-Illyas auf und sah sich verwirrt um, während ihm das Blut aus der Nase strömte. Er sah seine Glocke, schlurfte hin, hob sie auf. Dann stolperte er zu der Sänfte und nahm seinen Platz sechzehn Schritte davor wieder ein.
Kratt gab den Trägern einen Befehl, die sich bückten und die Sänfte anhoben. Ihre Wadenmuskeln traten hervor, und ihre muskelbepackten Rücken zitterten vor Anstrengung. Ihre Hälse liefen rot an, und die Adern traten hervor. Sie setzten sich die Griffe der Sänfte so vorsichtig auf die Schultern, wie eine Mutter ein Kind auf seine Schlafmatte legt.
Kratt trat zu dem Asak-Illyas an der Spitze. Als wenn ich an ihn gekettet wäre, trat ich ebenfalls einen Schritt vor, zog an dem Makmaki-Bruder.
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