Auf Dunklen Schwingen Drachen1
klebte jetzt an mir wie ein altes Blutgerinnsel, wie Schorf, an dem ich unablässig kratzte, bis die Wunde blutete. Ruin, Vernichtung, Chaos, Verwirrung, Amputation, Blindheit, Ausweidung – all das wünschte ich Kratt. Ich nährte mich von dem Plan, den ich mir für ihn ausgemalt hatte, aber die Bilder, die ich mir ausdachte, genügten nicht mehr. Ich wollte meine Fantasien umsetzen, ich sehnte mich danach, war davon besessen, verlangte danach.
Bis diese eiternde Pustel endlich platzte.
An einem nebligen Morgen entdeckten die Makmaki-Brüder eine seltene Dschungelkatze in einer ihrer Fallen. Das gelbbraune schwarz gepunktete Fell dieser Raubkatze war eine beträchtliche Menge Geldpapier wert. Die Brüder feierten. Aber bei dem Versuch, die Katze zu töten, ohne den kostbaren Pelz zu beschädigen, trug einer der Männer eine üble Wunde am Bein davon. Die Katze hätte ihn fast verkrüppelt, als sie ihre Krallen in seine Kniekehle grub und um ein Haar die Sehnen zerfetzt hätte. Es blieb an mir und dem unversehrten Bruder hängen, den schweren Kadaver der Katze zum Inrakanku zu schleppen, dem Kürschnerclan, denn natürlich konnten wir dem Kadaver nicht selbst das Fell abziehen; eine solche Aktion erforderte die Fertigkeiten ausgebildeter Leute.
Wir ließen den verwundeten Bruder in Kiz-dans Pflege zurück und suchten uns den Weg durch die Gassen unserer Nachbarzone. Wir trugen beide die orangefarbenen Gewänder der Makmaki, und die schwere Katze schaukelte zwischen uns an der langen Stange, die wir auf den Schultern trugen. Es war fast Mittag, obwohl man es an dem dämmrigen Licht des nebligen Tages nicht hätte erkennen können. Aus dem Dschungel drang der Geruch von Zitronenfarn, und mein Gewand klebte wie ein Netz an mir, feucht und erstickend. Meine Schulter war bereits von der Stange wund gescheuert. Ein dünner Blutfaden rann aus dem zertrümmerten Maul der Katze, das nur eine Handbreit vor meinem Bauch hin und her schaukelte, während ihr verbliebenes Auge mich starr anblickte. So hatten die Makmaki-Brüder sie am Ende getötet; sie hatten ihr den Schädel eingeschlagen.
Der Gestank des Raubtiers, dieser frische Geruch nach Tod, nach sauren Eingeweiden und Blut, ließ mich fast würgen.
Als wir uns dem Hof der Kürschner näherten, hüpfte eine kleine Gruppe von Kindern um uns herum. Sie kannten ebenfalls den Wert eines solchen Felles, und ihre Aufregung war ansteckend. Ich grinste unwillkürlich. Jedenfalls, bis mir ein boshafter Gedanke kam. Mit dem Geldpapier, das dieser Pelz brachte, konnte ich sicher irgendwo von irgendwem ein bisschen Gift kaufen.
Ich hasste mich für diesen Gedanken, biss die Zähne zusammen und verbannte ihn aus meinem Kopf.
Der Makmaki-Bruder erwies sich als ein sehr geschickter Händler, und wir verließen den Inrakanku mit einer prallen Börse voll Geldpapier. Von dort gingen wir direkt in die nächste Kräuterhandlung, denn der verwundete Bruder brauchte Schmerzmittel und stärkende Balsame, die viel wirkungsvoller sein mussten als das, was wir an kläglichen Medikamenten im Gawabe hatten.
Als wir uns den Weg durch die neblige Gasse zurück suchten, vorbei an mit Körben beladenen Frauen und spielenden Kindern, hörten wir das Läuten einer Bayen-Glocke. Wir drückten uns an die grob verputzte Mauer der Gasse, um der Sänfte eines Erste-Klasse-Bürgers Platz zu machen.
Eine Gestalt tauchte im Nebel auf, die eines Jungen, der kaum älter als zehn Jahre war. Er trug das gefältete rosa Gewand eines Asak-Illyas, eines Eunuchen, der als Leibeigener in Diensten einer Bayen stand. Der Junge hatte die Stirn gerunzelt, während er die Glocke läutete, und marschierte die vorgeschriebenen sechzehn Schritte vor der Sänfte seiner Herrin. Feuchter Nebel lag in schillernden Tropfen auf seinem kurz geschorenen Haar, er sah sich ständig um, als suchte er etwas, und ging unsicher weiter. Er schien den Tränen nahe zu sein.
Es war das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich einen Asak-Illyas sah. Der Anblick versetzte mich unvermittelt zurück in die Vergangenheit, als mein neugeborener Bruder von der Brust meiner bewusstlosen Mutter gestohlen und dem Tempel übergeben wurde, um dort als eben so ein Asak-Illyas zu dienen.
Der kurzhaarige Junge vor mir hätte sehr gut mein Bruder sein können.
Ich konnte kaum atmen.
Der Junge schlurfte an uns vorbei, gefolgt von einer eleganten Sänfte, die von sechs stämmigen Lakaien getragen wurde, die bis auf ihre Lendenschurze nackt waren. Die
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