Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Makmaki-Kutte von ihrem Haken, die Kiz-dan und ich gemeinsam benutzten. Ich zog sie über den Kopf und öffnete lautlos die Tür.
Draußen war die Luft von dem Regen so geschwängert von Feuchtigkeit, dass das Atmen dem Versuch glich, feuchte Spreu in die Lungen zu ziehen. Der Regen prasselte in silbernen Bändern von den Giebeln, vor einem grauen Himmel. Ich beugte mich vor und löste den Strick, mit dem die feuchte, schwere Leiter zum Schutz unter den niedrigeren Giebel des Daches gebunden war. Nach einem kurzen Zug glitt die Leiter an mir vorbei und schlug klatschend gegen die Steine.
Ich nahm meine Machete, knotete sie an dem Saum meiner Kutte fest und stieg den Gawabe hinab. Unten stand ich in dem dämmrigen Licht des Morgengrauens knöcheltief in einer Schlammpfütze, während ich mühsam an dem Seil zog und damit die Strickleiter wieder unter den schützenden Giebel zerrte.
Bis ich das Seil der Strickleiter gesichert hatte, war ich vollkommen durchnässt. Das kümmerte mich nicht. Mochte mir das Wetter entgegenschleudern, was es wollte, ich hatte eine Mission zu erfüllen, die bloßem Regen Hohn sprach.
Ich löste die Machete aus dem Knoten des Saums, schob sie unter den Umhang meines Gewandes, das vor Nässe an meiner Haut klebte, und machte mich auf den Weg. Nach Cafar Re, zu dem vom Drachen gesegneten, palastartigen Sitz des Kriegerfürsten unserer Brutstätte.
Der Wolkenbruch war vorüber. Der Himmel hellte sich ein wenig auf, und irgendwo zwitscherte ein Vogel sein einsames Lied.
Der Boden weichte unter dem Regenwasser zu einer mächtigen Schlammpiste auf, der strenge Geruch der Zitronenfarne waberte durch die feuchte Luft. Die Erde dampfte; der Dunst stieg in den düsteren Himmel. Andere Diener der Toten stiegen von ihren Gawabes herab und gingen ihren alltäglichen Geschäften nach.
Ich marschierte weiter, so stetig wie ein Herzschlag, so entschlossen wie ein Schraubstock.
Der Nebel verdichtete sich zu einer undurchdringlichen Wand. Meine Sicht betrug kaum mehr als die Länge eines Drachen. Das saugende Schmatzen meiner Schritte im Schlamm hallte von den mich umgebenden Gawabes zurück.
Urplötzlich tauchte eine Mauer vor mir auf, eine lange, gerade, etwa mannshohe Mauer, die aus uralten rostroten Ziegeln und Felssteinen bestand. Ich hatte das Ende der Zone der Toten erreicht und folgte der Mauer, bis ich an einen Durchgang kam, der mir in der Düsternis wie das milchige Auge eines Blinden entgegenstarrte.
Ich trat hindurch.
Meine Schritte klangen auf dem harten Untergrund wie zischendes Flüstern, der Saum meines Gewandes erzeugte ein Geräusch, als krabbelten Insekten über die wächsernen Wangen eines Leichnams. Der Nebel tanzte um mich herum wie ein Kreis aus Gespenstern. Dann fuhr ein kalter, heftiger Windstoß zwischen sie, teilte den Nebel, trennte die ätherischen Figuren und schickte sie mit einem Zischen auf ihre einsame Reise in die Ferne.
Leute tauchten aus dem Nebel auf, richtige Menschen, mit Urnen auf den Köpfen, Babys in den Kapuzen ihrer Bitoos oder mit großen Bündeln von Waren auf dem Rücken, an der Stirn mit einem Band gesichert. Die Geräusche von Werkstätten wurden von den Mauern zurückgeworfen: das hölzerne Tacken von Schlegeln, das dumpfe Pochen von Stößeln in Featon-Fässern, die Befehle von Männern und das Kreischen und Jammern von Kindern, die spielten oder arbeiteten.
Ich bezog Kraft aus diesen Geräuschen, ließ mich von der Vitalität dieser arbeitenden Rishi mit Energie erfüllen.
Schließlich ergatterte ich eine Fahrt auf einem Karren, der dem Tempel Eier lieferte und von einer Drachenkuh gezogen wurde, die so alt war, so ausgelaugt von der Arbeit, dass ihre Lebensgeister ihr wie ein müdes Kind folgten. Der schielende Akolyt, der den Karren lenkte, zögerte nicht, mich mitzunehmen, denn schließlich war ich Diener der Toten; einem Makmaki einen Wunsch auszuschlagen hieß, Unglück zu beschwören. Mein Geschlecht unter der Verkleidung zweifelte er ebenfalls nicht an. Natürlich war ich ein Mann. Eine Frau hätte es nie gewagt, einen Akolyten des Tempels anzusprechen.
Der Eierkarren fuhr die Gasse entlang und tauchte in den Nebel ein.
Ich verlor bald die Geduld wegen dieser umständlichen Fahrt, seiner häufigen Halts, wenn er Eier lieferte, und ging stattdessen zu Fuß weiter. Ich folgte seinen Richtungsangaben, so gut ich es vermochte. Ich war hungrig und nährte mich von der brütenden Gewissheit, dass ich noch vor Mitternacht Cafar Re erreichen
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