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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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möglich, selbst wenn es nur einen Meter ausmachte.
    Also legte ich mich zum Schlaf.
    Der nicht kommen wollte.
    Wenig überraschend. Meine Handfläche brannte, ja, der ganze Arm pochte. Rücken und Beine waren verspannt nach den übergroßen Anstrengungen. Ich hatte das Gefühl, als würde mein ganzer Körper sich in eine Bogenharfe verwandeln. Ohne es zu wollen, atmete ich schluckend und abgerissen und hielt vor lauter Unbehagen den Atem an.
    Die Todesklagen gingen weiter. Die Schreie schwollen misstönend an und ab, voller Anklage, Wut und Trauer.
    Dann veränderten sie sich.
    Die Klagen nahmen einen schrillen Klang an, wurden von harten, rhythmischen Gesängen in einer seltsamen Sprache akzentuiert. Die Worte kamen mir irgendwie vertraut vor. Die Kadenz, die Knacklaute, die melodischen Hebungen am Ende jedes Taktes.
    Ich erkannte sie, sozusagen. Sie waren eine unheimliche Nachahmung des Djimbi-Geplappers, mit dem wir Kinder unsere Erzfeinde verhöhnten. Aber die Gesänge, die ich jetzt hörte, hatten nichts von kindlichem Spott an sich. Sie strahlten Bösartigkeit aus. Kobos Sippe trauerte nicht mehr, sie schmiedete Rachepläne mithilfe verbotener Djimbi-Magie.
    Unvermittelt frischte der Wind auf. Mein Bitoo flatterte, unirdisch, wie ein enthauptetes Wesen.
    Dann bemerkte ich eine Bewegung darüber, hinter dem Kopf meiner Mutter, vor der durchlöcherten Wand. Mir stockte der Atem; die Bewegung rührte von einem Schatten her, einem überlangen Schatten, der vom Dach des Arbeitsschuppens auf die Erde hinabglitt.
    Ein Python.
    Mein Inneres wurde kalt und flüssig vor Furcht.
    »Achte nicht darauf, Zarq, hörst du?«, zischte Mutter. Beim Klang ihrer Stimme überlief es mich eiskalt, denn ihre Worte bestätigten den Schrecken hinter ihr. »Sieh mich an, nur mich. Es existiert nicht, dieses Wesen, das du da siehst. Sprich nicht darüber.«
    Sie knetete die Tonerde mit spürbarer Dringlichkeit, rollte sie mit geschickten, kräftigen Bewegungen aus. Schon hatte sie eine gleichmäßig dicke Fläche vor sich liegen. Mit einem kleinen Messer schnitt sie die Fläche in sechs viereckige Teile.
    Hinter ihr glitt die Schlange durch die viereckigen Ausschnitte des Mondlichts in der Wand und warf einen Schatten über Mutters Hals.
    Mutter ergriff ein Modellierwerkzeug aus Teakholz, das sich bis zu einem kleinen Punkt verjüngte. Mit lockeren, raschen Bewegungen zog sie Muster in die Vierecke aus Tonerde.
    Der Wind wurde stärker, die Gesänge von Kobos Sippe wurden lauter, die Worte so schwer wie Steine.
    Mutter murmelte etwas, als antwortete sie. Ihre Worte kamen schnell und klangen so hart wie gebrannter Ton.
    Die Schlange kroch weiter. Ihr Kopf erreichte den Boden, aber ihr Körper glitt immer noch vom Dach. Ich wusste, wie hoch es war, denn ich war einmal bei einer Mutprobe heruntergesprungen. Keine Schlange konnte so lang sein. Nein, keine Schlange war so lang.
    Das da war ein außerweltliches Etwas, eine Schatten-Schlange, beschworen von dem düsteren, heidnischen Trauerlied von Kobos Sippe.
    »Ich brauche ein Feuer, um den Ton zu brennen«, befahl Mutter angespannt. Sie bog ihren langen schlanken Hals zurück, der so muskulös war wie der des Python hinter ihr, und sang. Ihre Worte waren fremdartig und klangen schrecklich in ihrer Dringlichkeit. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, so laut, dass ich in dem Moment nur das Pochen der Furcht hören konnte, das in meiner Brust hallte.
    Auch wenn das schwer zu verstehen ist – ich kann die Skepsis begreifen und vergebe sie Euch von ganzem Herzen -, im selben Moment fauchte heiße Luft durch den Arbeitsschuppen, so heiß und trocken, dass sich die feinen Härchen in meinen Nasenlöchern wie glühende Nadeln anfühlten.
    So heiß und trocken, dass sie die Lehmfliesen meiner Mutter augenblicklich zu gebranntem Ton härtete.
    Die außerweltliche Schlange waberte einen Augenblick, wurde wie ein Gazeschatten. Aber Kobos Sippe setzte ihre düstere Beschwörung fort, die Schlange verstofflichte sich erneut und blieb heil, trotz Mutters Magie.
    Mutter schnappte sich eine Kugel mit Glasur und zeichnete rasch eine Skizze auf ihre Fliesen.
    Der Gesang von draußen steigerte sich zu einem Blaffen, ähnelte in nichts mehr unseren kindlichen Spottversen.
    Mutter stellte die Glasurkugel ab und nahm einen Pinsel. Sie sang wieder, rauere, ekstatischere Worte. Die Luft um sie herum schien zu wirbeln, in metallischen Farben, mitternachtsblau, bronzen, silbern. Sie tauchte den Pinsel hinein und

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