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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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bemalte ihre Fliesen mit diesen unirdischen Glasuren.
    Die Schlange, draußen, schillerte, verschwand, verstofflichte sich, verschwand. Einmal, zweimal, dreimal.
    Kobos Sippe brüllte ihr Klagelied lauter heraus. Die Schlange wuchs wieder zusammen, bis ihr geflecktes Ende über den Rand des Daches auf die Erde fiel. Sie schlängelte sich rasend schnell über den Boden und nahm geradewegs Kurs auf Car Manopus Hütte.
    Mutter warf ihren Pinsel auf den Tisch, legte den Kopf in den Nacken und brüllte in einer Lautstärke, die ich nie zuvor von ihr gehört hatte und nie wieder hören werde, brüllte mächtige, heidnische Worte, die verlangten, ja, kommandierten. Die toten Insekten in ihrem Haar glitzerten wie strahlendstes Silber im Licht des Mondes, erhoben sich wie eine Sternenwolke und flogen in die Nacht hinaus.
    Die Schlange erstarrte.
    Die Gesänge von Kobos Sippe wurden unzusammenhängend, synkopiert.
    Mutter sang einen Ruf, der sich wie ein weißer Silberreiher in die Luft erhob.
    Ein Krug materialisierte neben ihrem Ellbogen, so transparent wie Spinnengewebe. Sie nahm ihn, kippte ihn über ihren Fliesen aus, und ein dünner Fluss aus strahlender grüner Glasur ergoss sich aus dem Krug, so real wie das Blut in meinen Adern. Die Glasur spritzte über ihre Fliesen, segnete die Tonfliesen wie heiliges Öl, das aus einem Tiegel verspritzt wird.
    »Hitze«, sagte sie, sang sie, dachte oder brüllte sie – ich weiß es nicht, für mich war es ein und dasselbe. Das Wort klang gewaltig und fremd. Ich schloss die Augen und presste meine Arme um meinen Kopf, bevor ein glühender Wind meine Haut in Pergament verwandelte.
    Dieser Hitzestoß dauerte länger als der vorherige.
    Als es vorbei war, hob ich vorsichtig die Arme vom Kopf und spähte durch die Löcher in der Wand auf den Hof.
    Der Python war verschwunden.
    Kein dunkler Schatten glitt voll böser Absicht über unseren Hof. Nur das Licht der Sterne und des Mondes, rein und unschuldig, beschrieb Muster auf der Erde. Dazu herrschte Schweigen, so gelassen und süß wie das Lächeln eines schlafenden Babys. Die Djimbi-Gesänge hatten aufgehört.
    »Geschafft«, flüsterte Mutter erschöpft, als ihre Beine nachgaben und sie sich an der Tischplatte festhalten musste, damit sie nicht fiel.
    Vor ihr glänzte ihre Schöpfung: Ein sechsteiliges Paneel, das zeigte, wie drei Frauen schwammen, von denen eine ein pummeliges Baby hochhielt, damit die anderen es bewundern konnten. Es war ein intimes, zärtliches Bild, wundervoll gestaltet in wenigen fließenden Linien. Das grüne Wasser schimmerte friedlich und einladend, die Frauen waren weich, geschmeidig und schienen sich vollkommen wohlzufühlen. Und das Baby … Man konnte erkennen, dass es mit tiefer, zärtlicher Zuneigung geliebt wurde.
    Indem Mutter dieses Tonpaneel schuf, das so voller liebevollen Lebens war, hatte sie dem Bösen in dieser Nacht Einhalt geboten. Die finsteren Djimbi-Gesänge von Kobos Sippe hatten versucht, böse Magie gegen Car Manopus Sippe zu beschwören, und hatten damit jene düstere, außerweltliche Schlange gerufen … Indem sie dieses Fliesenpaneel schuf, hatte Mutter ihre eigene Magie beschworen und dem ein Ende bereitet.
     
    Den Rest der Woche über schuftete der Töpferclan unter der glühenden Sonne, schlug Schlingpflanzen, bündelte und erntete harzige Macci - Blätter und tauschte das meiste am Ende des Tages gegen bloße Almosen. Kobos Sippe zischte und spie aus, wenn der Schatten eines Angehörigen von Car Manopus Sippe den ihren kreuzte, aber dennoch herrschte ein unbehaglicher Waffenstillstand zwischen den beiden Sippen, und es fielen keine weiteren Schläge.
    Jede Nacht stolperte ich hinter Mutter her in den Arbeitsschuppen, mit vor Hunger glasigen Augen und um meinen Bauch geschlungenen Armen. Ich wusch mich, hängte meinen Bitoo auf, zog Mutters an, kletterte auf den Tisch und schlief beim Klang ihrer Stimme ein. Die Träume, die sie hervorrief – und es waren Träume, davon war ich überzeugt, weil bei Tagesanbruch keine Beweise existierten, die etwas anderes nahegelegt hätten -, diese Träume hüllten mich in Ruhe und vertrieben die benommene Wachheit, die der Hunger erzeugte.
    Dem sechsteiligen Paneel aus meiner Fantasie in der ersten Nacht folgte als Nächstes eine grandiose Servierplatte in der Form eines Pirarucu, dieses großen Raubfischs, der Hauptnahrung der Fluss-Djimbi. Mit einer Glasur aus Eisen und Kupfer bestrichen und mit Kobalt besprenkelt, war diese Servierplatte ein

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