Auf Dunklen Schwingen Drachen1
schälte sich von mir ab wie überflüssiger Lehm von einer Form, überzogen von Schlingpflanzensaft und Schmutz. Einen kurzen Augenblick stand der Bitoo aufrecht vor mir, bevor die Schmutzschicht brach und er in sich zusammen-und zu Boden sank.
Mutter drückte die Bogenharfe in den großen Lehmblock, den sie ebenfalls auf den Tisch gehoben hatte. Die Sehnen und Muskeln ihrer Unterarme traten hervor, als sie stetigen Druck auf das Werkzeug ausübte. Die Bogenharfe sank in den Lehm, immer weiter, immer tiefer.
»Deine Hand?«, wollte sie wissen.
Ich hatte keine Lust, den Schmutz von meiner Wunde abzuziehen, und zuckte beiläufig mit den Schultern. »Oh, der geht es gut. Die brauche ich nicht zu waschen.«
»Wasch sie gefälligst!«
»Aber dann wird sie bluten!«
»Besser, sie blutet, als dass sie schwarz wird. Sorg dafür, dass sie blutet.«
»Aber das tut weh, Mama!«, widersprach ich kleinlaut.
»Ich kann es tun, wenn dir das lieber ist.«
Ich spitzte schmollend die Lippen, schüttelte den Kopf und begann, mich zu waschen.
Ihr Ton war beunruhigend, in dieser Dunkelheit, während im Hintergrund die Todesklagen schriller und durchdringender wurden. Tränen traten mir in die Augen, als ich kaltes Wasser über mein Gesicht spritzte.
»Wasch auch deinen Bitoo.«
»Soll ich in dem nassen Kittel schlafen?«
»Du wirst trocken schlafen.«
»Nackt? Aber die Moskitos …«
»Du trägst meinen Bitoo. Ich werde mich mit Lehm einschmieren, um die Moskitos fernzuhalten.«
Ich tat, was sie mir befahl. Als ich nackt und nass zum Ausguss des Schuppens tapste, fühlten sich meine Beine, der Hals und die Schultern so steif wie altes Leder an, ein Resultat von Erschöpfung und Hunger.
Mutter hatte sich ausgezogen. Sie stand nackt und schlank an dem Tisch. Ihre vollen Brüste mit ihren großen, braunen Höfen wogten, als sie rhythmisch den Lehm knetete. Ich starrte fasziniert und angewidert auf die Pigmentierung ihrer Haut, für die ich bis zu ihrem hitzigen Eingeständnis beim Mombe Taro blind gewesen war. Sie hatte die mattgrünen Flecken einer Abtrünnigen auf der Haut, auch wenn sie schwach waren.
»Hand!«, erinnerte Mutter mich, aber mit ihrer üblichen Stimme. Das Gefühl von Tonerde unter ihren Fingern schien ihre Gereiztheit gelindert zu haben.
Ich schluckte und blickte zur Seite. »Ich kann sie morgen früh waschen.«
»Mach es bitte jetzt, Zarq. Benutz das hier, und sag es niemandem!« Sie warf mir einen der kostbaren Seeschwämme der Danku zu, mit denen Korshans Sippe dekorative Muster auf Vasen machte. »Und häng deinen Bitoo zum Trocknen auf, meine Kleine. Du wirst ihn morgen brauchen.«
Sie war eine Djimbi, sicher. Aber sie war auch meine Mutter.
Ich schob ein Stück meines Bitoos durch eine der vielen quadratischen Öffnungen des Schuppens, sodass die Hälfte des langen, schmalen Kittels nach draußen fiel und die andere Hälfte im Schuppen herunterhing. Die Löcher waren entstanden, weil man beim Bau absichtlich Ziegel ausgelassen hatte, damit die Luft zirkulieren konnte, was an den heißen Tagen der Zeit des Feuers notwendig war.
Mein Bitoo warf im Mondlicht einen langen Schatten auf den Boden, der an einen einbalsamierten Leichnam erinnerte.
Ich kehrte zum Tisch zurück. Eine Urne mit frischem Wasser erwartete mich. Meine Mutter hatte sie ohne meine Hilfe gefüllt, und ich begann zögernd, meine Hand zu reinigen. Zuerst tat sie nicht weh, jedenfalls nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte. Im Gegenteil, es faszinierte mich zuzusehen, wie die schmutzige Hautschicht sich von meiner Handfläche löste und neue, rosa Haut darunter zum Vorschein kam. Die Faszination endete jedoch schlagartig, als ein schmerzendes Pochen einsetzte, das bis auf die Knochen zu dringen schien.
Mit zusammengebissenen Zähnen beendete ich vorsichtig die Waschung. Einhändig und entsprechend ungelenk hüllte ich mich in Mutters langen Bitoo, der erheblich sauberer war als meiner, obwohl sie den ganzen Tag ebenso hart gearbeitet hatte wie ich. Als Schlafstatt suchte ich mir das andere Ende des langen breiten Tisches aus, an dem Mutter arbeitete. Natürlich würde ich nicht auf dem Boden schlafen, was Frauen verboten war, damit sie die Drachengesegnete Erde nicht mit ihren unreinen Ausscheidungen beschmutzten, mit ihren Tränen, dem Speichel, der Muttermilch, Menstruationsblut, Schweiß oder Urin. Ich rollte mich nicht in einem leeren Regal zusammen, wie Mutter vorgeschlagen hatte, weil ich ihr so nah sein wollte wie
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