Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
Vom Netzwerk:
Leben ihres Kindes beschmutzt hatte. Ich wäre über diese erbärmliche Unterwürfigkeit wütend gewesen, hätte meine Furcht vor Waisis Zorn nicht überwogen. Also machte ich mich so klein, wie ich konnte, und schlich still um Waisi herum.
    Des Nachts, im Arbeitsschuppen, kroch Waisi in eines der leeren Regale.
    Ein merkwürdiger Anblick. Waisi war ausgewachsen, und die Regale waren schmal und in Fächer unterteilt. Sie musste sich wie ein Neugeborenes zusammenrollen, die Beine an den Bauch ziehen und den Kopf beugen. Es konnte nicht bequem sein, so verkrampft dazuliegen, vor allem nach all der Schufterei am Tag. Dennoch machte sie genau das, Nacht um Nacht, und wachte jeden Morgen mit schmerzenderen Gliedern auf, steifer und wütender.
    Eines Nachts bot ich ihr an, den Platz zu tauschen, damit sie auf dem Tisch ausgestreckt schlafen konnte.
    »Nein.« Das war alles, was sie sagte. Einfach nur Nein. Ein brüskes, mächtiges Wort und bar jeder Erläuterung.
    Ich war jedoch zu betäubt, um lange darüber nachzudenken. Die Nahrungsmittel wurden immer weniger, die Sonne brannte heißer, und die Schlingpflanzenäste wurden schwerer, als sie hätten sein sollen.
    Ich suchte Zuflucht in meinen nächtlichen Träumen und wartete wie eine Besessene auf den wundersamen achten Tag unserer Armut.
     
    Er kam schließlich, der achte Tag, langsam und zögerlich. Die Frauen des Töpferclans weinten vor Erleichterung, die Männer lächelten sich knapp und stolz an. Einer unserer Jungen war drachengekürt. Wir hatten gelitten. Wir waren tugendhaft gewesen. Jetzt würden die Segnungen kommen.
    Das Rumpeln der Wagen setzte kurz nach Morgengrauen ein. Wir versammelten uns im Hof, hockten uns hin und richteten die Blicke starr auf den Torbogen unseres Hofs.
    Wagen um Wagen um Wagen! Sie rumpelten über die breitesten Alleen unserer Zone, und wo ein Engpass zwischen zwei Mauern sie aufhielt, hörten wir Hämmer gegen uralte Ziegel schlagen, die einen Weg bahnten. Schaulustige rannten jubelnd hinter den Wagen her, und ich schloss die Augen, genoss die Erwartung, was diese Wagen bald unserem Clan bringen würden.
    Glänzende Töpfe! Kisten mit Datteln und gezuckerten Nüssen! Urnen mit Öl, Gharial-Fleisch, Tuchballen und gegerbte Tierhäute. Macheten, Kämme, Hängematten, Schlafmatten, Tabak, Garnrollen, Säcke mit Samen, Pakete mit Nadeln und glänzende Teakpfeifen, eingepackt in feines Sägemehl. Es gab nichts, was diese Wagen nicht enthalten konnten.
    Und der letzte Wagen? Er würde mit einfachen Holzkisten beladen sein, die Geldpapier enthielten, so viel, wie man in einem ganzen Leben verdienen konnte. So viele Kisten, so viel Geldpapier. Und alle würden unserem Clan-Großvater übergeben werden, ihre Zahl gleich der Zahl der Tage, die ein durchschnittlicher Mann lebte. Und von daher gleich dem Leben, das der Drachenmeister uns genommen hatte.
    Der Morgen streckte sich hin, es wurde Mittag. Obwohl wir die Wagen und das Jubeln derer hörten, die ihnen folgten, fuhr keiner von ihnen durch unseren Torbogen.
    »Es ist nur rechtens, dass die Glasspinner ihren Wohlstand zuerst erhalten«, meinte Großvater Maxmisha großmütig. »Immerhin ist ihr Junge vor unserem erwählt worden.«
    Aber die ersten Fühler einer bösen Vorahnung überliefen uns, als die Schatten des Nachmittags immer länger wurden. Babys weinten mit den dünnen Stimmchen derer, die wahrhaft Hunger leiden. Mütter lenkten sie ab, nährten sie und fuhren sie an. Aber niemand verließ den Hof.
    Mutter war die Erste. Sie stand müde auf und warf Vater einen langen Blick zu. Sie bewegte sich, als wäre sie doppelt so alt, wie sie tatsächlich an Jahren zählte, als sie in den Arbeitsschuppen ging.
    Waisi neben mir zuckte zusammen. Sie sah Mutter nach, blickte zum Torbogen hinüber, dann wieder zu Mutter zurück. Sie ballte die Hände zu Fäusten und presste sie gegen ihre Schläfen. Dann fing sie an zu lachen.
    Es war ein heiseres, hysterisches Lachen. Das die Lähmung durchbrach, die uns alle gepackt hatte. Die Babys und Kinder stimmten ihr Geschrei wieder an, kräftiger diesmal. Die Männer schlurften herum und bildeten eine aufgeregte Gruppe, berieten sich. Ich hielt mir die Ohren zu, aber das war zu mühsam, meine Arme zu schwer, also ließ ich meine Finger aus den Ohren gleiten, über meine Wangen rutschen und schlaff in meinen Schoß fallen.
    Die Dämmerung setzte ein. Das Rumpeln der Wagen hörte auf. Vom Hof der Glasspinner drang, über viele Gassen hinweg, das

Weitere Kostenlose Bücher