Auf Dunklen Schwingen Drachen1
auch zuerst angriff, vor allem, wenn sie es am wenigstens erwarteten, ließen die jüngeren Kinder mich bald in Ruhe.
Ich lernte, mich in der Nähe der Älteren unsichtbar zu machen.
Die Mitglieder der Karawane, die aus fünf Karren bestand, waren der Handelsherr, seine beiden erwählten Frauen und ihre sechzehn Kinder, ein Bote, eine Rishi-Familie aus Brut Re, die entschlossen war, die Küstenhauptstadt zu erreichen und ihr Los zu verbessern, und fünf Lanrak Paras, Soldaten außerhalb der Armee. Diese Söldner wirkten so vertrauenswürdig wie Kwano-Schlangen, aber aus ihrer knurrigen Vertrautheit mit dem Handelsherrn und seinen ältesten Söhnen schloss ich, dass sie bereits eine Weile zusammenarbeiteten.
Ich hoffte nur, dass sie die Aufgabe erfüllten, für die sie angestellt worden waren: uns vor Hinterhalten der Djimbi, Banditen und Dschungelkatzen zu schützen. Und uns nicht im Schlaf ermordeten und sich mit den Waren davonmachten.
Die Drachen, welche die Karren zogen, waren Cinai Satons, wörtlich übersetzt bedeutet das: androgyne Drachen. Sie hatten seit ihrer Geburt keine proteinreiche Nahrung erhalten und keine schützenden Brutstätten erlebt, deshalb hatten diese schlanken, streitsüchtigen Drachen nie Eier gelegt. Nur weil ihnen diese Fähigkeit abging, hatte man ihnen den Namen gegeben, was eigentlich lächerlich war. Denn sie waren so weibliche Drachen wie jeder Jährling oder Brutdrachen. Eine sterile Frau wird oft als eine Saton bezeichnet. Das ist alles andere als ein Kompliment.
Meine Zeit in der Handelskarawane verstrich wie eine endlose Folge von kaltem Frühnebel, dichtem Nachmittagsnebel und feuchter Abendkühle. Wagenräder fuhren sich in Furchen fest und mussten mühsam herausgeschoben und -geruckelt werden. Kochtöpfe mussten gesäubert und Achsen geschmiert werden. Die Satons, die unsere Karren zogen, mussten jeden Abend zum Rand des Dschungels geführt werden, damit sie dort fressen konnten. Danach wurden sie wieder ins Lager getrieben, und am Morgen wurden ihre Fußketten entfernt.
Mir wurde dafür häufig der Wachdienst übertragen, doch der Handelsherr schätzte seine räudigen Satons weit mehr, als die Makmaki-Brüder ihre Kigos geschätzt hatten, deshalb vertraute er mir diese Aufgabe nicht allein an. Sein am wenigsten geschätzter Sohn begleitete mich, ein Junge mit glattem Haar und Schwimmhäuten zwischen den Zehen.
In der tiefsten Nacht, wenn er und ich uns an die knochigen Flanken der wiederkäuenden Drachen drückten, um ein bisschen Wärme zu bekommen, erfuhr ich, dass der Fürst von Brutstätte Cuhan dem Vater von Entenfuß diese Satons geliehen hatte, obwohl der keiner Brutstätte angehörte. Entenfuß schien zu glauben, dass dies etwas wäre, womit man angeben konnte, statt sich dessen zu schämen oder darüber zu ärgern.
Ich fragte ihn, ob sein Vater jemals eigene Drachen hatte besitzen wollen. Entenfuß starrte mich an, als wäre ich ein Dotterhirn.
»Um dann als Köder in der Arena zu enden? Das erwartet jeden, der einen Drachen stiehlt, weißt du? Das weißt du doch, heho?«
»Das habe ich nicht gemeint«, erwiderte ich, runzelte jedoch die Stirn, weil ich nicht genau wusste, was ich eigentlich hatte sagen wollen. Ich wusste sehr gut, dass niemand anders als ein vom Tempel bestimmter Roshu, Lupini oder Roshu-Lupini Drachen züchten durfte und dass nur Leute, die unter ihrer Obhut standen, die Tiere reiten oder mit ihnen arbeiten durften.
Was ich meinte, war … worüber ich redete, war … natürlich Ketzerei!
Ich klappte den Mund zu und sprach nie wieder darüber.
Obwohl diese nebelkalten Nächte mit verstohlenen Geräuschen und wilden Gerüchen erfüllt waren, so wie die vom Nebel verschleierten Tage mit heftigem Husten, harter Arbeit und Hunger, schlief Mutter. Sie schlief immer und wachte nur auf, um sich hinter einen Busch zu kauern und sich zu erleichtern.
Wenn sie schlief, hatte sie die Stirn in tiefe Falten gelegt, als würde sie sich auf etwas von allergrößter Bedeutung konzentrieren.
Vermutlich tat sie das auch. Sie konzentrierte sich darauf, am Leben zu bleiben.
Als wir eines Morgens über einen ausgefahrenen Dschungelpfad rumpelten, ließ der Handelsherr anhalten und befahl mir und seiner Brut, ein Fass Öl, ein Fässchen Masca und acht Säcke Featon-Getreide abzuladen. Als ich unter einem Getreidesack neben Entenfuß herstolperte, fragte ich ihn, was das sollte.
»Tieron!«, stieß er zischend zwischen den Zähnen hervor, was mir
Weitere Kostenlose Bücher