Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Mutter ein wenig abgeklungen war und der Grund für meine nächtlichen Schreie und für die irrationale Angst davor, allein gelassen zu werden, sich nach und nach herumsprach, fand ich allmählich Freundinnen im Konvent. Allein schon wegen meines Alters fühlte ich mich oft einsam. Denn der größte Teil der Onai waren ältere Frauen.
Natürlich machte ich mir auch Feinde im Konvent, vor allem unter den Grimmigen Gebenedeiten, einer Gruppe von Onai, die meine vollkommene Unfähigkeit, mich so devot zu verhalten wie sie, mit Missbilligung betrachteten. Boj-est teilte mich zu Nachtwachen stets mit dieser Gruppe ein, was für uns alle eine wahre Folter war. Ich konnte während der Ehrerbietung den Drachen gegenüber nicht stillhalten. Ich plapperte mit unseren drei Kuneus, gab ihnen Klapse und verwünschte sie, statt die demütige Dienerin zu spielen.
Kurz, ich kam auf dumme Gedanken.
Bei einem meiner Streiche habe ich einen verletzten Papagei gefangen und ihn mitten in der Nacht in einen Nachttopf gesetzt. Meine Fingerknöchel weisen immer noch die Narben von den Hieben auf, die ich dafür bezog, aber der Ausdruck auf dem Gesicht der schielenden Voe-too, als sie herumhüpfte, die Tunika um ihren faltigen Bauch gerafft, während der von Urin triefende Papagei ihren blanken Hintern ankreischte, war die Strafe wert.
Es gab auch Trauerfälle. Tas-urk, eine süße, stille Onai, die ich sehr mochte, starb an der Schwindsucht. Beb-oly, mit ihrem hintersinnigen Humor, geriet mit ihrem Arm zwischen die Mühlsteine und verschied kurz nach der Amputation. Die uralte Ter-mil wanderte eines Nachts in den Dschungel und wurde trotz langer Suche nie wieder gesehen. Per-tes, unsere Medizinfrau, wurde bei einem Tobsuchtsanfall Kas von dem alten Bullen zermalmt.
Und eine neue Bekehrte tauchte beim Steinhügel auf.
Vor dieser hatte es noch vier andere Bekehrte gegeben: zwei ausgemergelte, ältliche Schwestern, die eine Mitgift von wahrscheinlich gestohlenen Silbermünzen bei sich hatten, deren Herkunft jedoch nicht mehr nachzuweisen war, und zwei Jahre später eine verzweifelte Mutter mitsamt ihrer achtzehnjährigen Tochter. Letztere war ein großes, ungeschlachtes Geschöpf mit einem leeren Hirn und einem schlurfenden Gang.
Sie brachten zwei Lederballen als Gabe mit, die sie auf ihre Rücken geschnallt hatten. Die Mutter versprach hoch und heilig, ihre Tochter würde die Arbeit von drei Frauen tun, wenn sie in Tieron aufgenommen würden.
Sie alle fügten sich still und bereitwillig in das Konventleben ein, und die Jugendliche arbeitete tatsächlich hart. Bedauerlicherweise starb sie ein knappes Jahr später an einem Schlangenbiss.
Ich stand kurz vor meinem fünfzehnten Geburtstag, als die neueste Bekehrte am Steinhügel auftauchte, und zuerst kam mir ihr Erscheinen wie ein Segen vor, ein Wunder. Sie hatte fünf Koffer dabei, vollgestopft mit Sandalen, Seifenstücken, Kochtöpfen, Häuten, Schlafmatten und Urnen mit Öl.
Ich war außer mir vor Freude, als ich sie sah, nicht nur wegen ihrer Großzügigkeit, sondern auch weil sie nur zwei Jahre älter war als ich und im Gegensatz zu der verstorbenen Einfältigen ihren Verstand beisammen hatte. Sie war freiwillig zu uns gekommen, ein seltsames Mädchen; ein in sich gekehrtes Kind eines Aristokraten aus Brut Cuhan. Sie wollte nur eines: den Kuneus dienen.
Doch ihre Beschneidungswunde wollte nicht heilen.
Sie bekam Wundbrand. Als meine Schriftrolle ihre Brutstätte erreichte, war sie bereits tot.
Was eine Untersuchung auslöste, und zwar in Form eines Besuches von Daron Cuhan, dem Tempelältesten der Brut Cuhan. Er und sein Gefolge rauschten auf fünf Jährlingen heran, überflogen zweimal die Rotunde, aus keinem anderen mir ersichtlichen Grund als dem, uns zu beeindrucken, und landeten in unserem Hanffeld. Unsere Bullen schnaubten und tobten aufgeregt herum, als sie die weiblichen Jährlinge witterten, und einer von ihnen riss sich sogar die Flanke auf, als er versuchte, auszubrechen.
Dieser Daron betrachtete alles, was wir taten, sehr kritisch, ebenso seine Ersten Heiligen Hüter.
Es interessierte sie nur wenig, dass sie in der Zeit, die sie bei uns verbrachten – sie auf dem Dachboden, wir ungeschützt in der nicht überbedachten Rotunde, und das in der Regenzeit, mehr verzehrten als wir Onai zusammen. Und es kümmerte sie ebenso wenig, wie schwierig es für uns war, ihre Jährlinge, deren Füße und Schwingen gefesselt waren, von unserem Gemüsegarten fernzuhalten, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher