Auf ein prima Klimakterium
-Filmplakat, eingesäumt von brachialen Plakat-Artgenossen, steht.
»Die Vertragsunterschrift für die Rolle der Maude wartet um 15 Uhr im Büro der Produzentin auf mich, da ist ja noch ’ne viertel Stunde hin«, sage ich nervös.
»Unsere Produzentin sitzt gerade vor dem TV«, schleudert er mir entgegen, tritt forsch vor eine stylische Plastikstellwand und manövriert gebieterisch einen jungen, gut aussehenden Schauspieler, mit voller, dunkler Haarmatte und ausdruckstarker Augenpartie gesegnet, in einen Stuhl. »This is your young Harold, my round old lady«, erklärt er mir.
Jetzt wird mir ein getipptes, titelloses Manuskript in den adretten Schoß geworfen.
»So, dann ziehen Sie sich schon mal aus, Mylord, und nummerieren Ihre erogenen Zonen mit Signalfarben, just in case, falls die Augen von Madam nicht mehr mitmachen«, animiert er jetzt den jungen Schauspieler, während dessen Manuskript, von Maestro gekonnt durch die Lüfte entsandt, auf wohlgeformten Schenkeln des Beaus landet.
»Man wartet auf mich, ich bitte Sie inständig, meine Unterschrift ist schon seit einer halben Stunde fällig«, versuche ich mich nun kläglich aus dem einengenden Stuhl zu stemmen. »Meine Herrschaften, Casting is calling, nehmen Sie bitte Ihre Texte auf und schalten wir auf Zeitlupe, damit wir ja nichts verpassen, nicht wahr, Madam?«, kreuzen sich die Worte des Regisseurs mit meiner tränenumflorten Ansage. »Das ist doch von vornherein schon sinnlos, das macht doch überhaupt keinen Sinn«, brüllt mein potenzieller Harold in den Raum, in dem Iroki, wie ich das dominante Fossil ab jetzt im Stillen benennen werde, nun wohl alle Schicksalsfäden in die Hand zu nehmen gedenkt. »Wie lange hat denn unsere Klientin nicht mehr vor einer Kamera geschmort? Harte Zeiten verlangen nach Süßstoff und kick-back-treatments, you know what I mean, my boy!«
Ich habe mich in mein Schicksal ergeben und beginne mich schaudernd in den Text hineinzulesen. Der laute, dreistimmige Geräuschpegel hinter der Bürotüre lässt eine größere Auseinandersetzung ahnen, dringt aber nicht mehr in mein Gedankenfeld, das jetzt von den sich zufügenden Beleidigungen eines Paares, die sich in meinem Manuskript wohnlich niedergelassen haben, zugedonnert wird.
»Reiß dir doch eine auf, du Dreckschwein«, habe ich hasserfüllt zu argumentieren.
»Willst du eine in deine verschwiemelte Fresse haben, du alte Pute?«, sagt der angehende Harold und wird durch meinen Part »Ich mach dich fertig, du impotenter Schwachkopf, du Spanner« immer noch platter.
»Das bringe ich nicht, das riecht nach Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und lässt den späten Frühlingsduft unseres zärtlichen Liebespaares nicht mal erahnen! Ich glaube, ich bin im falschen Film«, entfleucht es mir und ich schütte einen hochprozentigen Daiquiri-Cocktail in mich hinein, vom Regisseur, kurz nach dem Casting-Start, persönlich gemixt und nur mir offeriert.
»Das hat gar keine poetische Dimension, Sie spielen den blanken Realismus in Kotzgrün, alles in Kotzgrün, ist ja zum Kotzen, Boulevard-Theater, wie ich es mir in kühnsten Träumen schon ausgemalt habe. Betonen Sie Harold mal in Fliederfarben und Leidenschaft, Madam. Stecken Sie einfach mal alles rein in diesen schmucken Harold, ich weiß, wovon ich spreche, ma chérie, nicht wahr«, lenkt der selbst ernannte Meister der professionellen Mimikry am finalen G-Punkt seiner süffisanten Kritik angekommen, alle Aufmerksamkeit auf meinen männlichen Part, um sich ungeniert, vor meinen aufgerissenen Augen, an ungebührlicher Stelle seines plötzlich nackten Körpers zu schaffen zu machen. Um meinen Körper schlingen sich regenbogenfarbige Kreise, eine Sturmbö versucht mich von vorne auf die Schippe zu nehmen, was ihr dank meines Volumens nicht gelingt. Schon hat die Schlange ihr Nest auf dem Siegelring des Regisseurs verlassen und baut sich, über sich selbst hinauswachsend, furchterregend vor mir auf. »Flucht, Flucht, falsches Studio, falsches Team«, rast es durch mein grünbenebeltes Gehirn und es gelingt.
Mutig, aber benebelt, durchschreite ich das furchterregende Schlangen-Hologramm, um einen rettenden, lichtdurchfluteten Ausgang zu erreichen, als sich zeitgleich mit einem Knall die Bürotür öffnet und drei Personen entlässt. Diese versuchen wie ich den Weg ins Freie zu finden. Radebrechend irrt man durch das Studio, in dessen Foyer ich mich auf einmal zur Säule erstarrt vorfinde.
»Mein Geld stinkt nicht, dafür schwitzen
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