Auf ein prima Klimakterium
für die Statistik dieser Einrichtungen. Geht alles seinen geplanten Gang, erweist sich ein Hospiz auch als Forum, um sich mit den Angehörigen auszusöhnen und die letzte Reise in Ruhe und Würde anzutreten.
Es gibt noch viel zu wenig Hospiz-Plätze, aber das Bewusstsein für diese schützende letzte Station wächst und meine große Vision, dass jedes Menschenkind bei seinem Tod ein staatlicher Anspruch auf eine zugeteilte, kostenlose Sterbe-Hebamme aus Fleisch und Blut bekommt, steht durchaus positiv in den Sternen, denn die auszufüllenden Stellen werden in Zukunft vor allem durch Ehrenamt und privates Engagement besetzt werden. Mit einem Donnerschlag ist es unserer amtierenden Familienministerin innerhalb von ein paar Monaten gelungen, die unkluge Handlung eines Ministers, Zivildienstleistende kurzfristig auszusortieren, zu revidieren: durch den couragierten Schachzug, diese durch engagierte junge Mitglieder für ein freiwilliges soziales Jahr zu ersetzen. Es meldeten sich, als positives Symbol für unsere Zukunft, um fast viertausend Interessenten mehr, Jugendliche, alleinstehende Frauen, Rentner, als man benötigte. Davon profitierten auch die bereits bestehenden Hospize, dieser ehrenamtliche, freiwillige Dienst am Nächsten wird in unserer Zukunft selbstverständlich sein.
Es gelang mir schon öfters, für austherapierte Patienten, wie es in der Fachsprache so schön betont wird, die eiskalt nach Hause in den Schoß der ängstlichen Familie entlassen werden sollten, im Münchener Hospiz der Barmherzigen Brüder einen Platz zu bekommen. So auch freudig einem Gast geschehen, der nach unzählbaren Chemo-Behandlungen eines Tumors an der Speiseröhre seine Gabe zu sprechen verloren hatte. Eine Pflege, die im häuslichen Bereich durchgeführt werden sollte, hatte die Ehefrau aus Angst vor den auftretenden Erstickungsanfällen verweigert. Im Hospiz nun konnte sie ihren langjährigen Lebensgefährten wissenden, guten Händen und liebevollen Herzen anvertrauen. Ein Gästezimmer erleichterte den Wochenendbesuch. »Hier ist alles gut, von hier aus komme ich sicher in den Himmel, oder in die Hölle, liebe Frau«, schrieb er mit einem klobigen Bleistift aus seiner Schreinerwerkstatt langsam auf einen großem Block, den ihm sein Seelsorger für die Gesprächsstunden mitgebracht hatte.
Die Fröhlichkeit der jungen Menschen, die ihn mit umsorgten, tat ihm wohl, das war zu spüren. In einem Gespräch, das seine Seele entlasten sollte, stellte sich heraus, dass er durch beleidigende, schreckliche Worte, die er schon vor Jahren bei einem Streit an seine Ehefrau gerichtet und bis zum therapeutischen Gesprächstage rigoros ausgeblendet hatte, eine schwere Schuldenlast in sich angesammelt hatte, die durch seine streng religiöse Erziehung noch größer wurde.
»Vor weiteren bösen Worten hast du dir durch deine Erkrankung mit Stimmverlust im Schlepptau wohl selbst einen Riegel vorgeschoben«, meinte der Seelsorger nachsichtig und entlockte dem Patienten nur ein stummes Nicken. »Ach, wissen S’ Herr Pfarrer, ich war auch nicht von schlechten Eltern, ich hab’s meinem Mann schon gekocht, wie man so sagt, ich hab ihm aber auch in all den Jahren unserer Ehe ganz furchtbare Beleidigungen an den Kopf geschmissen. Verzeih mir«, legt die versöhnlich gestimmte Ehefrau jetzt auch ihr Scherflein auf die Waage, küsst ihren Mann auf die müde Stirne, der sich plötzlich mit einem tiefen Seufzer in die Kissen zurücklehnt. Als sie aus der Stationsküche zurückkommt, um die tägliche Ration Kamillentee für ihren Mann zu überbringen, hatte sich der Priester, nach einem Gebet und einer rituellen Segnung, wieder auf den Weg zum nächsten Sorgenkind gemacht, und ihr Ehemann seinen Wanderstab für immer abgegeben. Nun war er nach einem Aufenthalt von sechs Wochen im Hospiz friedlich entschlafen, was mir bei Erhalt dieser Nachricht, durch seine dankbare Familie, eine Glücksröte auf die Wangen zauberte. Wieder einmal war es vollbracht. Wieder einmal war ein Kind des Kosmos versöhnt in die Arme seines Schöpfers zurückgekehrt.
Wie befreiend war es für mich, dass unsere Mama Agnes, nach einer erschöpfenden Zeit im Krankenhaus, ihre letzten sechs Lebenstage zu Hause mit uns zwei Töchtern verbringen durfte. Am Tage ihres Heimgangs sah sie besonders jung aus, das Licht um sie herum war schier spürbar. Ich öffnete das Fenster weit, wusch mit liebevollen Gedanken ihren ganzen Körper und rieb ihn mit einem duftenden hawaiianischen Öl
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