Auf ein prima Klimakterium
es uns ausgemalt hatten, immer noch in mir keimt.
»Hier kann er wieder mit mir leben«, schlüpfte es mir, damals entgegen dem fürsorglichen Rat meiner Tochter, leise über die Lippen, als ich Rocco in seiner letzten Nacht bei mir eine wärmende Schafdecke über den abgemagerten Körper streifte. Zärtlich umsäumten meine Kätzlein das mondbeschienene Kissen, in das sich das schlafende Antlitz eines kleinen einsamen Prinzen schmiegte, der sich im Erdenrund wohl nicht mehr zurechtfand.
Der bestellte und gelieferte, alkoholgeschwängerte Daiquiri, dem ich mich jetzt willig hingebe, versetzt mich wieder in eine losgelöste vergangene Licht-Stimmung auf dem San-Diego-Highway in Los Angeles. Was für ein berauschendes Gefühl, in einem großen offenen Cadillac, mit Automatik-Schaltung, meine Fülligkeit am Steuer, Rocco relaxed den Beifahrersitz in Beschlag nehmend, in die blutrote Abendsonne hineinzufahren.
»Ich bin dein Freund in guten und in schweren Zeiten, aber nicht dein Mutterersatz, denn du hast eine Mutter«, machte ich Rocco während unserer freudevollen kommunikativen Zeit in Los Angeles klar.
Unsere erste Begegnung hatte sich in einem Blumenladen zugetragen, wo ich einen Strauß für meine unvergessliche Kollegin Kathleen Turner, meine Partnerin in dem Film Der Rosenkrieg , erstehen wollte. Grafiker Rocco gab zu dieser Zeit den Blumenverkäufer, es war sein letzter Arbeitstag. Ein halbes Jahr vorher hatte er mich schon im Film Bagdad Café als Doppelgängerin seiner Mutter Clare erkannt.
»This is my real mum, I can’t believe it«, hatte er seinem Freund anvertraut. Der Schock unserer ersten Begegnung, die nun schicksalshaft drei Monate später stattfand, war elementar für ihn. Seine Gesichtsfarbe wechselte von fahler Blässe zu tiefer Röte. Beim Abschied berührte er meine Seele.
»Meine Mutter wollte mich mit fünf Jahren umbringen, das hat mir mein Bruder verraten, doch das Warum und Wie gab es nie«, vertraute sich mir Rocco in einem Sushi-Lokal am Los Angeles-Beach zaghaft an. Das war nur der Anfang einer seelenverletzenden Kindheit. Was hatte dieses hochbegabte Menschenkind schon alles ertragen müssen. Von seinem Vater misshandelt, von seiner Mutter mit fünf Jahren beinahe ums Leben gebracht und danach verlassen. Nur sein jüngerer Bruder und seine halbindianische Großmutter, die ihm von Zuwendungen seiner Mutter bis zu dem verhängnisvollen Tage ihres Zusammenbruchs berichtete, hinterließen eine wohltuende Spiegelung und liebevolle Erinnerungsmomente in seinem Leben.
Als Gast des Chicago-Filmfestivals hatte ich in meinem Notizbuch eine dringliche Hausaufgabe dingfest gemacht. Freund Rocco wurde von mir, nach einer langen Abwesenheit von seiner Heimatstadt, zu dieser Reise eingeladen, die ihm ermöglichen würde, Mutter, Großmutter und Bruder – das war sein Plan – und vielleicht sogar seinen Vater wiederzusehen – das war mein tiefer Wunsch, den er nicht mal erahnen durfte.
Roccos Mom Clare, eine fanatische Verehrerin der großherzigen Tigermamsell Jayne Mansfield, Tier-Mamma von drei kleinen Chihuahua-Hunden, Besitzerin einer riesigen Videosammlung, unsere Adlon-Trilogie mit eingeschlossen, lebte in unserem Besuchsjahr 1992 mit sechsjähriger Tochter Babe in einer Welfare-Sozialsiedlung außerhalb von Chicago. Das Geschenk für Clare, ein sexy Tigerkleid, das mir für ein Amex-Fotoshooting auf den barocken Leib geschneidert wurde, hatte sich Clare bereits übergestreift, ihre getigerten High Heels hatten sich schon in Position gebracht. Mom Clare, Aug in Aug mit Marianne, ein gegenseitiges Spiegelbild von frappierender Ähnlichkeit – Clare visuell fast der Prototyp eines amerikanischen Vamps, Marianne Hippie-Mamma mit gärtnerischen Ambitionen. Was für eine freudige Überraschung in der Abendstunde, als Bruder John und Stiefschwester Babe mit am Tafelsrund saßen, als Clare ihr Geständnis in einem atemlosen Raum bunkern konnte. »Ja, ich wollte meinen Sohn Rocco umbringen und danach mich selbst. Ich habe ihn, in einer Phase schwerster Depression, für Tage in die Toilette gesperrt, aber Rocco hat Wasser aus der Toilettenschüssel getrunken und dadurch überlebt, so musste ich auch weiter existieren. Du bist mir wie aus dem Gesicht geschnitten, mein Sohn, so wollte ich dich nicht bei deinem schlagenden, rachsüchtigen Vater zurücklassen. Ich wollte dich mit mir in den Tod nehmen, weil ich dich so liebe, bitte verzeihe mir«, sprach’s und weinend lagen sich Mutter Clare,
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