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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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gesehen hat. Trotzdem hat er sich mit großer Anstrengung eine eindrucksvolle Bildung verschafft. Gleichzeitig war er ein wunderbarer Debattenredner, er war ja auch Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag.
    Hat er Sie gefördert?
    Ja, Wehner aber auch. Wehner hat mich in Kontakt gebracht mit dem Franzosen Jean Monnet, einem der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft. Und Erler hat mich nach Übersee, nach England und nach Amerika geschickt.
    1948 trug der SPD -Chef Kurt Schumacher Wehner ein Bundestagsmandat an. Wehner soll gesagt haben: »Sie werden mir die Haut bei lebendigem Leibe abziehen.«
    Und Schumacher hat geantwortet: »Das hältst du schon aus.« Ich halte diese Geschichte für wahr.
    Wehner fürchtete, angreifbar zu sein, weil er Kommunist gewesen war.
    Ja, sogar nach seinem Tode hat es immer noch irgendwelche deutschnationalen CDU-Leute gegeben, die ihn für einen verkappten Agenten Moskaus gehalten haben.
    Drei Spitznamen hatte er: der Onkel, der Kärrner, der Zuchtmeister. Welchen finden Sie denn am treffendsten?
    Von diesen drei Epitheta geht eines auf ihn selbst zurück: der Kärrner. Er hatte mehrfach gesagt, er wolle den Karren so lange ziehen, wie der Karren es will.
    Nun soll er ziemlich schroff gewesen sein.
    Er war bisweilen sehr schroff.
    Schroffer als Sie?
    Ja. Er hatte ein erratisches Temperament. Eine lange Zeit konnte er sich bändigen, aber irgendwann explodierte er dann.
    Sein unterirdisch böses Wort über Brandt: »Der Herr badet gerne lau« – haben Sie ihm das übel genommen?
    Das war eine von diesen erratischen Entgleisungen.
    Hat man das einfach hingenommen?
    Das hat man hingenommen, und er selber hat es danach immer bedauert. Ich kann mich erinnern, dass er einem manchmal die Hand streichelte. Das war seine Geste der Wiedergutmachung.
    Ein enger Mitarbeiter von ihm hat mir mal erzählt, wenn man Wehner nie ein Widerwort gegeben hat, dann hatte man es schwer bei ihm.
    Natürlich musste man seine eigene Überzeugung vertreten. Wer das nicht tat, der war bei ihm unten durch, und mit Recht. Aber nicht nur bei Wehner …
    … bei Ihnen auch?
    Aber ja!

    10. Januar 2008

[ Inhalt ]
    »Das Einkommen einiger Finanzmanager ist unanständig«
    Geld verdienen
in Politik und Wirtschaft
    Lieber Herr Schmidt, sprechen wir vom Geld. Die Bundeskanzlerin hat ein monatliches Grundgehalt von 15 832 Euro. Ist das eine angemessene Bezahlung?
    Wenn wir als Maßstab die Bezüge des Chefs einer Großbank anlegen, dann ist das Einkommen der Bundeskanzlerin lächerlich. Wenn wir als Maßstab den Lohn eines Facharbeiters anlegen, dann verdient sie sechs- oder siebenmal so viel. Das ist angemessen.
    Was ist Ihr Maßstab?
    Mein Maßstab ist die öffentliche Meinung, welche die bisherige Entwicklung der Bezüge der Politiker akzeptiert hat. Die sind, was die Minister angeht, relativ gemäßigt, was die Abgeordneten angeht, eher etwas lukrativ. Ich bin dagegen, die Gehälter der Politiker anzuheben.
    Häufig wird zwischen Spitzenmanagern und Spitzenpolitikern verglichen. Ist der Vergleich überhaupt zulässig?
    Der Vergleich ist durchaus zulässig. Und dasEinkommen einiger Bank- und Finanzmanager ist unanständig.
    Soll man deren Gehälter begrenzen?
    Ich würde es begrüßen, wenn es darüber eine ernsthafte Debatte gäbe – nicht eine Debatte nur unter Journalisten, die Überschriften brauchen, sondern eine wissenschaftliche Debatte, die von Ökonomen, Soziologen und Moralphilosophen geführt würde. Es ist zu früh, um einzugreifen, nicht aber für eine Diskussion.
    Die Jusos wollten mal die Einkommen der Makler auf 5000 Mark begrenzen.
    Die wollten sogar die Makler abschaffen.
    War das nicht der gleiche Populismus wie jetzt bei dem Ruf nach einer Begrenzung von Managergehältern?
    Den Populismus meine ich, wenn ich davon spreche, dass es im Augenblick im Wesentlichen ein Thema für Journalisten ist, die Überschriften machen. Aber dass Finanzmanager hundertmal so viel verdienen wie die Bundeskanzlerin, das finde ich nicht in Ordnung.
    Helfen Appelle, Maß zu halten?
    Mit moralischem Appell jemanden daran zu hindern, so viel Geld zu raffen, wie er kriegen kann, ist nicht sehr aussichtsreich.
    Fühlten Sie sich als Abgeordneter, als Minister, als Bundeskanzler anständig bezahlt?
    1968 wurde ich fünfzig – damals ohne Pensionsanspruch. Das war prekär. Damals habe ich ernsthaft erwogen, aus der Politik auszusteigen, um ein bisschen Geld zu verdienen und ein bisschen zu sparen, um davon im Alter

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