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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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lassen, was ich nicht habe. Nein, dazu gehört Fantasie, Erfindungsgabe. Mein Freund Siegfried Lenz erfindet dauernd Geschichten. Das kann ich nur bewundern.

    24. Januar 2008; das Interview führte Matthias Naß

[ Inhalt ]
    »Die Strafe muss
auf dem Fuße folgen«
    Jugendliche und Gewalt
    Lieber Herr Schmidt, ganz Deutschland redet von der Jugendgewalt …
    Ob es gegenwärtig ein besonders hohes Maß an jugendlicher Gewalttätigkeit gibt, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube es nicht so recht.
    Das klingt aber gelassen!
    Gewalttätige Jugendliche hat es immer mal gegeben. Die meisten Revolutionen, ob die Französische Revolution vor 200 Jahren, die Revolutionen vor knapp 100 Jahren in Russland oder etwas später in Deutschland, sind im Wesentlichen von jungen Leuten getragen worden. Dass junge Leute aufbegehren gegen Eltern, gegen Lebensverhältnisse, gegen Autoritäten, ist ganz normal. Auch heute vor 30 Jahren hatten wir hierzulande böse Gewalttätigkeiten junger Leute.
    Sie wollen nicht im Ernst die Achtundsechziger mit jungen Ausländern vergleichen, die in der U-Bahn-Station einen Rentner zusammenschlagen?
    Nein. Aber Überfälle hat es immer schon gegeben. Junge Leute neigen eher zur Gewalttat, zu Totschlag und sogar zu Mord. Sechzigjährige Mörder sind eine Ausnahme. Die schlimmen Gewalttaten der Baader-Meinhof-Leute sind aus der Studentenrevolte hervorgegangen. Heranwachsende begehren auf gegen vorgefundene Verhältnisse. Das war bei den Studenten in Paris nicht anders als in Frankfurt.
    Unter den jungen Schlägern gibt es leider besonders viele Ausländer.
    Ich kann mir vorstellen, warum das so ist. Einmal sind junge Ausländer, ähnlich wie alle anderen jungen Leute, geneigt aufzubegehren. Zweitens leben sie in einer ihnen fremd gebliebenen Kultur und Gesellschaft. Wenn dann, drittens, hinzukommt, dass sie arbeitslos oder auf Schwarzarbeit angewiesen sind, dann addiert sich das alles leicht zu einer etwas höheren Kriminalität als bei jungen Deutschen.
    Auch das klingt erstaunlich verständnisvoll.
    Verstehen heißt nicht entschuldigen. Nie im Leben findet Nachsicht gegenüber Gewalttaten meine Zustimmung.
    Wie kommt es, dass die Menschen das Gefühl haben, sie seien durch Gewalt stärker bedroht als früher?
    Ich weiß nicht, ob es heute mehr Angst gibt als vor 30 Jahren. Wenn man überhaupt nichts davon erfährt, dass in einer U-Bahn jemand verletzt oder gar getötet worden ist, hat man davor auch keine Angst. Die breite Berichterstattung der Massenmedien und die Zuspitzung mancher Politiker können sowohl Angst als auch Nachahmung auslösen. Seit Nazizeit und Krieg sind wir Deutsche anfälliger für Ängste aller Art.
    Glauben Sie, dass härtere Strafen junge Gewalttäter abschrecken würden?
    Nein, das glaube ich nicht. Es sollte nicht darum gehen, die Gesetze zu verschärfen, sondern mehr um die Einstellung der Richter an Jugendgerichten. Wir hatten eine Freundin, die hat als eine tüchtige Psychologin ein Leben lang als Gutachterin gearbeitet. Sie war oft entsetzt darüber, dass der Richter mehr Verständnis für den jugendlichen Übeltäter hatte als sie selber. Viel zu häufig wiederholte Bewährungsfristen, viel zu späte Verurteilung. Die Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen.
    Sie sind doch in einer Diktatur aufgewachsen. Wenn man ganz große Angst hat, diszipliniert das?
    Das weiß ich nicht. Es würde mich wundern, wenn die Zahl der gewöhnlichen Morde – abgesehen von den zahllosen Kriegsverbrechen und vom Holocaust – unter den Nazis kleiner geworden wäre. Dafür hat damals die Zahl der Justizmorde gewaltig zugenommen.
    Waren Sie jemals ein Befürworter der Todesstrafe?
    Nein. Ich war und bleibe im Gegenteil ein engagierter Befürworter ihrer Abschaffung.

    31. Januar 2008

[ Inhalt ]
    »Weil bei den Kommunisten die Streichhölzer knapp sind«
    Über Politikerwitze
    Lieber Herr Schmidt, Loriot hat Sie oft karikiert, mit Knollennase und gebleckten Zähnen. Fanden Sie das komisch?
    Ich fand es lustig.
    Kennen Sie sich?
    Nicht sehr intensiv, aber wir haben uns gekannt. Als Kanzler machte man einmal im Jahr ein demonstratives Kanzlerfest in Berlin, die Stadt war ja durch die Mauer und die Sowjets vom Rest der Welt abgeschnitten. Eines werde ich nicht vergessen: Wir hatten Loriot angeheuert, ich glaube, im Schillertheater. Er spielte einen Bühnenarbeiter, der erst ein Duett, dann ein Quintett, schließlich ein ganzes Orchester dirigiert. Er selbst saß am Flügel. Fabelhaft!
    Gibt es

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