Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
Kernkraft
Lieber Herr Schmidt, kommt bei Ihnen Ökostrom aus der Steckdose?
Weiß ich nicht.
Seit geraumer Zeit kann man den Betreiber wechseln und dann Ökostrom ins Netz einspeisen lassen. Ist in Ihrem Hause da nichts geschehen?
Weiß ich auch nicht. Wenn die Ölrechnung und die Stromrechnung kommen, werden sie bezahlt.
Würde Sie Strom aus Atomkraftwerken überhaupt stören?
Ich finde es erstaunlich, dass unter allen großen Industriestaaten der Welt – von den USA bis China, Japan und Russland – die Deutschen die Einzigen sind, die glauben, sie könnten ohne Kernkraft auskommen. Wir haben praktisch unseren Kohlebergbau aufgegeben, wir haben so gut wie kein Öl in unserem Boden. Deshalb liegt es nahe, dass Deutschland einen Teil seiner Energie aus Kernkraft bezieht. Natürlich hat Kernkraft ihre Risiken. Es gibt aber keine Energie und nichts auf der Welt ohne Risiken, nicht einmal die Liebe.
Jetzt klingen Sie noch ganz so wie in Ihrer Zeit alsBundeskanzler, als Sie sich gegen heftige Widerstände in Ihrer Partei für Kernkraftwerke einsetzten.
Warum soll ich meine Meinung ändern? Sie war damals richtig und ist bis heute richtig.
Weil es in der Zwischenzeit zum Beispiel Tschernobyl gegeben hat.
Tschernobyl hat nicht dazu geführt, dass die Russen oder die Ukrainer Kernkraftwerke völlig aufgegeben hätten. Wir sind die Einzigen, die diese Konsequenz gezogen haben. Wir wollen klüger sein als die ganze Welt. Sind wir aber nicht.
Wenigstens haben wir die sichereren Atomkraftwerke.
Das scheint so zu sein, bei uns gab es bislang auch keine kleineren Unfälle wie auf Three Mile Island in Amerika. Allerdings ist in den letzten Jahrzehnten an der Reaktorsicherheit nicht sonderlich weitergearbeitet worden, weil keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden durften. Natürlich hat die Atomkraft, stärker als die Windenergie, Risiken – weil die Gefahr eines Unfalls bleibt oder weil es nicht ganz einfach ist, die abgebrannten Brennstäbe gefahrenlos zu verwahren.
Nicht zu vergessen, dass Kernkraftwerke auch gegen Terroranschläge nicht hinreichend geschützt sind. Ist nicht allein dieses Risiko schon viel zu groß?
Es gibt auf der Welt Zigtausend atomare Sprengköpfe. Dass davon einer in falsche Hände kommt, zum Beispiel in terroristische Hände, und dass Terroristen einen solchen Sprengkopf zur Explosion bringen, istdenkbar. Dass jemand mit einer atomaren Bombe ein Kernkraftwerk in die Luft sprengt, ist auch vorstellbar. Aber beides ist nicht unbedingt wahrscheinlich. Die Vorstellung, eine atomare Bombe könnte in falsche Hände kommen, ist erheblich wahrscheinlicher, als dass jemand einen Anschlag auf ein Kernkraftwerk verübt.
Finden Sie es ethisch vertretbar, dass wir mit den atomaren Brennstäben noch ganzen Generationen ein Problem überlassen, für das wir selbst keine Lösung haben?
Jedenfalls ist die große Mehrheit aller Staaten der Welt, aller Parlamente und Regierungen der Welt zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Risiko ethisch vertretbar sei. Ich wundere mich darüber, dass allein Deutschland zu einem anderen Ergebnis kommen möchte.
Könnte sich Ihre Partei einen Ausstieg aus dem Atomausstieg noch erlauben in diesen mageren Zeiten?
Diese Wende ist im Augenblick nicht dringend notwendig, aber irgendwann wird sie kommen.
Sie wurden früher als »Atomkanzler« bezeichnet – ist das für Sie eine Schmähung oder doch eher ein Ehrentitel?
Der Bau von Atomkraftwerken ist lange vor meiner Regierungszeit beschlossen worden. Ich habe nur fortgesetzt, was unter Brandt, Kiesinger, Erhard und Adenauer begonnen wurde – ohne Begeisterung, wohl aber aus Gründen der Vernunft.
24. Juli 2008
[ Inhalt ]
Bloody Mary ohne Pfeffer
Über Trinkgewohnheiten
von Politikern
Lieber Herr Schmidt, ich habe gesehen, dass in Ihrem Bungalow in Hamburg-Langenhorn eine kleine Bar steht. Beginnen dort die Abende der Familie Schmidt?
Nein, die wird nur genutzt, wenn Gäste da sind.
Haben Sie sich die Bar in Ihrem Haus gewünscht?
Ja, das war meine Idee, und meine Frau und meine Tochter haben gesagt, so was machen nur Snobs. Aber sie haben mich dann schließlich gewähren lassen. Inzwischen hat sich die Bar bewährt. Man sitzt da ganz eng gedrängt und muss miteinander reden. Und wenn die Gäste zwei Drinks hinter sich haben, werden sie zum Essen gebeten. Dann haben sie sich schon aneinander gewöhnt und angewärmt.
Die Bar ist gut sortiert?
Ich selber trinke ganz wenig Alkohol. Ich bin eigentlich mehr Kaffee-
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