Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
gekommen und war nichteinsatzfähig, weil ich, von Rheuma geplagt, beide Knie weder krumm noch gerade bekam. Ich war da Anfang zwanzig und ging am Stock. So wie heute. (Lacht)
Haben Sie in den Ferien politische Pläne ausgeheckt?
Nein. Ich habe den Urlaub meistens genutzt, um zu schreiben: Reden und Aufsätze. Später, nicht mehr im Dienst, auch Bücher.
Hat da Loki nicht protestiert?
Nee, hat sie nie. Sie hatte doch ihre eigene Arbeit.
Haben Sie wenigstens Rituale geschaffen, gemeinsame Essen oder Mußestunden?
Gemeinsam essen fast immer, außerdem gemeinsame Schachspiele. Ich habe übrigens gestern Abend zwei Partien gegen Peer Steinbrück verloren. Der ist ein erstklassiger Schachspieler.
Spielt Ihre Frau auch gut?
Genauso gut wie ich.
Gab es zu Ihrer Zeit das sogenannte Sommertheater?
Das ist ein journalistisches Schlagwort, das es zu unserer Zeit auch gegeben hat. Das Wort Sommertheater hat wahrscheinlich seinen Ursprung darin, dass es in deutschen Seebädern oder in anderen Erholungsorten zweitrangige Bühnengastspiele gab, wenn die Leute dort Ferien machten. Ein Sommertheater hatte nicht ganz das Niveau der staatlichen Bühnen in Münchenoder Hamburg. Und ähnlich ist es mit dem politischen Sommertheater. Da versuchen oft zweitklassige Politiker, endlich einmal im Mittelpunkt zu stehen.
War das Echo auf das Ausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement angemessen oder schon Sommertheater?
Das Interesse war angemessen, die Behandlung war zum Teil sensationsgierig und oberflächlich. Das vorläufige Ergebnis ist aber zufriedenstellend.
21. August 2008
[ Inhalt ]
Schifffahrt vor Stockholm
Über den Club der Ehemaligen
Lieber Herr Schmidt, in der New York Times habe ich gelesen, dass Sie einem besonders exklusiven Club angehören. Er besteht aus ehemaligen Staatsmännern, und Sie haben sich gerade in Stockholm getroffen.
Ja, wir kommen einmal im Jahr zusammen, immer an einem anderen Ort – manchmal in Südamerika, in Asien, in Afrika, manchmal eben in Europa.
Wer darf in diesen Verein rein?
Der Club besteht seit 1983, gegründet hat ihn der frühere japanische Premierminister Takeo Fukuda. Giscard d’Estaing hat viele Male teilgenommen, Chirac eher seltener, denn er war lange im Amt. Kissinger ist mehrfach als special guest dabei gewesen, denn er war ja kein Staatschef. Aber es waren auch ehemalige kommunistische Staats- und Regierungschefs beteiligt. Einige sind längst gestorben. Ich war zehn oder zwölf Jahre der Vorsitzende.
Wie alt sind denn die Teilnehmer im Schnitt?
Ich weiß das nicht. Vermutlich um die 60 Jahre.
Diesmal waren zum ersten Mal junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren als Zuhörer dabei. Haben Sie eine Kluft zwischen den Generationen gespürt?
Nein, was ich bemerkt habe, war deren großes Interesse.
Die ebenfalls junge Korrespondentin der New York Times , die den Bericht darüber verfasst hat, fühlte sich in ein anderes Zeitalter versetzt. Sie verspürte gar einen Hauch von Kaltem Krieg.
Da hat sie etwas gespürt, was ich nicht gespürt habe.
Diskutieren Sie von morgens bis abends in Ihrem Club, oder gibt es auch ein buntes Programm?
Bunte Programme gibt es natürlich nicht. Es gab nur eine wunderbare abendliche Schifffahrt durch die Schären vor Stockholm, bei der es zugleich ein Abendessen gab. Und schwedischen Aquavit.
Sie finden ja überall Gehör. Aber ist es insgesamt nicht eine Versammlung von has beens ?
Es ist eine Versammlung von has beens , wie ich auch einer bin. Aber es ist andererseits ganz zweifellos eine Versammlung von interessanten Leuten mit Verantwortungsbewusstsein, Sachkenntnis und Überblick.
Was war bislang Ihr größter Erfolg?
Die stärkste Wirkung haben wir wohl erzielt, als wir uns relativ kurz nach der Tiananmen-Tragödie ganz demonstrativ in Shanghai getroffen haben, Kissinger und der ehemalige amerikanische VerteidigungsministerRobert McNamara waren dabei. Damals bestand die Gefahr eines Kalten Krieges zwischen dem Westen und China. Dem haben wir begegnen wollen. Ein Kalter Krieg wurde vermieden. Dieses Jahr in Stockholm haben wir uns für einen Vertrag ausgesprochen, der die Atomwaffen-Staaten zum »non-first use« ihrer atomaren Waffen verpflichten soll.
Hat eine Versammlung von has beens dann nicht doch etwas Melancholisches an sich, weil die Gestaltungsmacht so gering ist?
Die Möglichkeiten zur Verwirklichung sind sehr gering. Aber dass von dort Denkanstöße ausgehen, kann ich mit dem Beispiel illustrieren, das wir mit dem
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