Auf einem Maskenball verführt
Alyssa stockte der Atem.
„Komisch, ich habe nichts gehört. Und außerdem habe ich eigentlich frei, wie du weißt. Hast du niemand anderen für diesen Auftrag?“
„Bestimmt weiß ich bald mehr.“ David ließ sich nicht beirren. „Also bis dann. Und vergiss nicht, mir bis morgen den Nachruf zu schicken.“
Sie legte auf und dachte: oh Gott! Wenn Joshua das erfährt! Eine Story über das Weingut und seine Familie, über alles, was ihm etwas bedeutet. Hoffentlich bewahrheiten sich die Gerüchte nicht, von denen David gesprochen hat.
Bei dem Gedanken wurde ihr wieder leichter ums Herz. Sie jedenfalls würde nur Dinge fragen, die mit ihrem verstorbenen Bruder im Zusammenhang standen. Und sonst nichts.
5. KAPITEL
„Steig ein“, rief ihr Joshua am späten Nachmittag zu, und Alyssa kletterte in den Range Rover.
Mit einem unauffälligen Seitenblick bewunderte er ihre langen Beine in den dunklen Jeans. Dazu trug sie ein enges violettes T-Shirt, das ihre weibliche Figur betonte.
Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden, und fragte mit rauer Stimme: „Und, was hast du so gemacht?“
„Ach, nichts Bestimmtes. Caitlyn hat mich ein wenig herumgeführt.“ Aus ihrer Handtasche nahm sie Block und Stift.
Eigentlich hatte er sie nicht allein lassen wollen, damit sie nicht irgendein Unheil anrichten konnte, doch ihm war keine Wahl geblieben: Schließlich ging seine Arbeit auf dem Weingut vor. Wieder sah er zu ihr hinüber. Wie schön ihr Haar glänzte. Wie voll und sinnlich ihre Lippen wirkten. Er umklammerte das Lenkrad fester, wie um der starken Anziehung etwas entgegenzusetzen.
„Und sonst nichts?“
„Dann hat mir deine Mutter noch mehr Fotos gezeigt. Und mir Geschichten über Rolands Siege und Pokale erzählt.“
„Ich möchte nicht, dass meine Mutter durch dich die ganze Zeit an Roland erinnert wird und sich noch unglücklicher fühlt.“
„Keine Angst, sie wollte es von sich aus. Ich glaube, es hat ihr regelrecht gutgetan.“
Vielleicht war seine Besorgnis tatsächlich unbegründet gewesen? Außerdem konnte er seiner Mutter schlecht verbieten, einen Gast einzuladen. Wenn sie es als tröstlich empfand, über Roland zu sprechen, war es gar nicht so schlecht, dass Alyssa hier war.
Er selbst war noch nicht so weit, über seinen Bruder und dessen Tod zu reden.
Das Meer hinter sich lassend, fuhren sie Richtung Westen.
„Wohin fahren wir denn?“, wollte Alyssa wissen.
„Ich möchte dir etwas zeigen – auf der anderen Seite der Berge.“ Dabei zeigte er durch die Windschutzscheibe auf die Hügelkette, die vor ihnen lag.
Als sie den höchsten Punkt erreicht hatten, spürte er förmlich, wie Alyssa angesichts der Schönheit der Landschaft den Atem anhielt. Ihm selbst erging es auch jedes Mal so, doch heute hatte er nur Augen für die Frau an seiner Seite. Den Stift in der einen, den Block in der anderen Hand ließ sie die wunderbare Aussicht über das Tal auf sich wirken.
„Na, was sagst du jetzt?“, fragte er gespannt.
„Oh Gott, es ist einfach herrlich“, schwärmte sie. „Mit Worten lässt sich das gar nicht beschreiben.“
Im Stillen freute er sich, dass es ihr hier so gut gefiel. „An einem warmen Sommertag gibt es keinen Ort, an dem ich lieber wäre“, sagte er. „Siehst du dort den Fluss? Auf dem Ufer gegenüber liegt Heaths Zuhause, Chosen Valley Vineyard. In dem klaren Wasser fängt Heath manchmal Forellen.“
„Hier ist es wirklich sagenhaft schön. Kein Wunder, das es ihm und dir so gut gefällt.“ Nach kurzem Schweigen fragte sie: „Und Roland? War er auch gerne hier?“
Die Selbstverständlichkeit, mit der sie den Namen seines Bruders aussprach, irritierte ihn, und das Gefühl der Gemeinsamkeit und Anziehung verschwand.
„Zum Forellenfischen hatte Roland nicht genug Geduld. Er war ein Fan gefährlicher Sportarten, rasanter Autos … und schneller Frauen.“ Dabei sah er sie abschätzend an.
„Wie meinst du das? Denkst du etwa, ich bin so eine Frau?“, fragte sie.
„Ja, ich denke schon, dass du sozusagen ein Leben auf der Überholspur führst und für den schnellen Erfolg lebst. Wann hattest du zum letzten Mal frei? Oder bist wandern gegangen? Hast du jemals auf einem Hügel gestanden und beobachtet, wie die Sonne untergeht?“
Er hielt an und warf Alyssa einen schnellen Blick zu. Sie wirkte betroffen. Wieder fiel ihm ihr schönes Haar auf … und ihr unwiderstehlich weiblicher Duft.
Er stieg aus, schlug die Tür zu und ging ein Stück vom Wagen weg. Mit dem
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