Auf einem Maskenball verführt
habe.“ Mit offenem Gesichtsausdruck sah sie ihn an.
„Wie schön, dass ich den Tag erlebe, an dem Alyssa Blake zugibt, dass sie unrecht hatte“, sagte er und bereute es im selben Moment.
Mit zusammengekniffenen Augen erwiderte sie: „Ich finde, dein Leben verlief bisher auch mit ziemlicher Geschwindigkeit. Erst hast du dich um die Weinstöcke gekümmert, dann bist du zum Personalchef und Geschäftsführer von Saxon’s Folly aufgestiegen. Ein beachtlicher Werdegang. Das alles hast du sicher nicht geschafft, ohne dir Ziele zu setzen, oder?“
„Stimmt. Aber ich war nie von ihnen besessen.“
„Und du denkst, ich schon?“
Achselzuckend erklärte er: „Lass es mich einmal so ausdrücken: Eine gewisse heitere Gelassenheit gehört bei uns zur Firmenphilosophie. Denn wie sollten Menschen hervorragende Weine machen, wenn es ihnen kein Vergnügen bereitet? Verbissenheit wäre da völlig fehl am Platz.“
Sie schüttelte den Kopf. „Diesen Unsinn wolltest du mir schon einmal verkaufen – in den zehn Minuten Telefoninterview, die du mir damals eingeräumt hast.“
„Du hast ausgerechnet während der Weinlese angerufen, und ich hatte alle Hände voll zu tun.“ Ohne es zu wollen, rechtfertigte er sich vor ihr. „Abgesehen davon entspricht es wirklich meiner Überzeugung: Guter Wein wird von glücklichen Mitarbeitern hergestellt.“
Ihrem Gesichtsausdruck sah er an, dass sie sehr an sich halten musste, um ihm nicht Scheinheiligkeit vorzuwerfen. Schließlich beschränkte sie sich darauf, zu sagen: „Ich weiß nicht, ich finde nicht, dass du besonders idealistisch wirkst, was deine Mitarbeiter angeht.“
Joshua spürte, wie er wütend wurde. „Darum hast du mich auch in deinem Artikel als ausgesprochen ungerechten Vorgesetzten hingestellt.“
Diesen Vorwurf wollte Alyssa nicht auf sich sitzen lassen. „Warum hast du Tommy Smith entlassen? Er hat mir erzählt, dass du damit sein Leben zerstört hast. Entspricht das deiner Vorstellung von zufriedenen Mitarbeitern?“
Auch Michael Worth, ein Weingutbesitzer, den Joshua persönlich kannte, hatte Tommy Smith schnell wieder entlassen, nach nur drei Wochen. Joshua wusste, dass Michael Alyssa damals davon informiert hatte. „Wie du weißt, hat er auch seine nächste Stelle gleich wieder verloren.“
„Damals war der Bericht ja schon längst veröffentlicht. Außerdem war das etwas ganz anderes: Diesmal wurde ihm gekündigt, weil er eine Kollegin sexuell belästigt hatte.“
„Und du kannst dir nicht vorstellen, dass ich ihn aus demselben Grund entlassen habe?“
Entsetzt sah sie ihn an. „Das war der Kündigungsgrund? Warum hast du mir denn das nicht erzählt?“
„Damit die Geschichte des Opfers in der Öffentlichkeit breitgetreten wird? Nein, danke.“
„Und wer …“
Er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber das werde ich dir bestimmt nicht sagen.“
Hatte sie wirklich Joshua und Mr. Smith so falsch eingeschätzt? Und Joshua damit unrecht getan?
In gewohnt selbstherrlicher Weise tat Joshua das Thema ab. „Was soll’s. Ist längst Schnee von gestern.“
Alle Anziehung war sofort verflogen, und eine kühle Meeresbrise ließ Alyssa erschauern. Um sich etwas aufzuwärmen, rieb sie sich die Oberarme.
„Du frierst ja. Komm, wir gehen.“
Doch sie war nicht bereit, das Thema so einfach ruhen zu lassen: „Ich wusste nicht, dass Mr. Smith eine deiner Mitarbeiterinnen belästigt hat. Und da du es mir auch nicht gesagt hast: Wie hätte ich da einen Beitrag bringen können, der deine Sicht der Dinge berücksichtigt?“
„Mir war es wichtiger, die Diskretion zu wahren.“
„Aber das Ansehen von Saxon’s Folly in der Öffentlichkeit?“
Ironisch lächelte er. „Mag gelitten haben – aber meine Meinung über das Magazin Wine Watch ebenso sehr.“
„Und über mich.“
„Richtig“, gab er ohne Umschweife zu.
Was hatte sie erwartet? Dass er es abstreiten würde? Um ihre Enttäuschung zu überspielen, sagte sie leichthin: „Du glaubst wohl, du bist Mr. Unfehlbar?“
„Mr. Unfehlbar?“, fragte er stirnrunzelnd.
„Ach, vergiss es“, beeilte sie sich zu versichern. „Manchmal rutscht mir etwas einfach so heraus.“
„Interessant. Ich hätte dich eher so eingeschätzt, als ob du dir jedes Wort genau überlegst … bevor du deinen süßen Mund öffnest.“
Plötzlich stand er so nahe vor ihr, dass sie seinen heißen Atem an ihrer Wange spürte. Vor Spannung wagte sich Alyssa kaum zu bewegen, konnte jedoch nicht verhindern, dass sie
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