Auf einem Maskenball verführt
Joshua räusperte sich. „Tut mir leid, dass du wach geworden bist.“
„Macht doch nichts. Wie gesagt gehe ich jetzt wieder ins Bett.“
Hätte sie doch nur nicht das Wort „Bett“ verwendet! Mit Joshua ging ebenso die Fantasie durch wie mit ihr, das spürte sie. Beinah hätte sie einen Schritt auf ihn zugemacht, doch im letzten Moment beherrschte sie sich.
Es wäre Wahnsinn gewesen. Schließlich hielt Joshua sie für die heimliche Geliebte seines Bruders.
Mit Schmetterlingen im Bauch wollte sie ins Haus gehen. Doch Joshua hielt sie am Arm fest. „Halt, nicht so schnell.“
Ihr schlug das Herz bis zum Hals, als er sie zärtlich am Kinn berührte und sanft ihr Gesicht streichelte. Dabei stieg ihr sein unverwechselbarer Duft in die Nase, den sie so an ihm mochte. Plötzlich brach sich die gesamte aufgestaute Trauer Bahn, und ohne es zu wollen, brach Alyssa in Tränen aus.
Tröstend zog Joshua sie in seine Arme. Alyssa schluchzte so heftig, dass ihre Schultern zuckten, sie konnte und konnte nicht aufhören. Sie schmiegte die Wange an die weiche Wolle seines Pullovers und wünschte, für immer in der Sicherheit und Geborgenheit seiner Umarmung bleiben zu können.
Allmählich beruhigte sie sich, und die Tränen versiegten.
„Komisch, normalerweise habe ich nicht diese Wirkung auf Frauen“, sagte er scherzhaft, doch sie blieb ernst.
Nach einem letzten Aufschluchzen bereute sie, dass sie sich so hatte gehen lassen, und entschuldigte sich: „Tut mir leid, dass ich einfach losgeheult habe.“
„Die letzten Tage waren für uns alle nicht leicht.“ Behutsam legte er die Wange an ihr Haar und sagte einfühlsam: „Lass alles raus, wein ruhig …“
„Du hältst mich nicht für eine Heulsuse?“
„Wie könnte ich.“ Er legte den Arm um sie und begleitete sie ins Haus. Und nach einigen Schritten ergänzte er: „Mir fehlt er auch sehr.“
Noch immer leicht verlegen wegen ihres Gefühlsausbruchs, betrat Alyssa am Vormittag das Frühstückszimmer mit dem großen Panoramafenster, durch das man einen wunderschönen Blick über die Weingärten hatte. Zu ihrer Erleichterung war sie allein – bis Joshua hereinkam.
Sofort schlug ihr Herz höher, denn er sah einfach umwerfend gut aus: Statt des feinen Wollpullovers trug er jetzt ein enges schwarzes T-Shirt, in dem sein muskulöser Körper herrlich zur Geltung kam.
„Wo sind denn alle?“, fragte sie.
„Bei der Arbeit. Wir Saxons sind Frühaufsteher, keine Langschläfer wie ihr Städter.“ Durch seine eindringliche Musterung wurde ihr bewusst, wie wenig ihr grau gestreifter Hosenanzug und die Wildlederschuhe hierherpassten. Hätte sie doch lieber ihre neue Jeans angezogen!
Da sie in den frühen Morgenstunden in seinen Armen förmlich zusammengebrochen war, musste sie nun umso mehr auf der Hut sein. „Und was machst du dann noch hier?“
„Ganz einfach. Ich warte auf dich“, antwortete er ohne den Anflug eines Lächelns. „Schon vergessen? Du sollst mich bei meiner Arbeit begleiten.“
In der Tat hatte sie nicht mehr daran gedacht. Aufgewühlt von den Ereignissen des Tages, war sie ins Bett gegangen. Dann hatte sie schlecht geschlafen, und schließlich war sie wegen des Frostalarms aufgewacht. Dass Joshua sich so liebenswürdig verhalten hatte, hatte ihre Gefühle noch mehr durcheinandergebracht.
Fest sah sie ihm in die Augen. „Aber ich brauche keinen Aufpasser. Wirklich nicht.“
„Ich fürchte, du hast keine Wahl.“
Typisch: immer nur nach seinem Kopf. Nun war er nicht mehr der freundliche, beschützende Joshua, an dessen Schulter sie geweint hatte, sondern wieder herrisch und von sich eingenommen.
Dennoch fühlte sie sich nach wie vor zu ihm hingezogen. Offenbar waren sich ihr Verstand und ihr Körper über diesen Mann völlig uneins …
Während sie sich ein Marmeladenbrötchen schmierte, fragte sie so unbefangen wie möglich: „Also gut, was willst du mir heute zeigen?“ Vielleicht war im Umgang mit ihm Angriff die beste Verteidigung? „Noch mehr von deiner Briefmarkensammlung?“
„Hör mal, solche Spielchen liegen mir nicht. Wenn ich Interesse an dir hätte, würde ich es dir freiheraus sagen.“
Also wollte er sie wohl nicht mehr. Wenn sie ihn nicht herausgefordert hätte, hätte sie sich nicht diese Abfuhr eingehandelt. Enttäuscht schwieg sie.
Nach dem Frühstück folgte sie ihm zum Range Rover. Zuerst fuhren sie in die Weingärten – dem Herz von Saxon’s Folly, wie Joshua erklärte. Als sie anhielten und ausstiegen,
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