Auf einmal ist Hoffnung
Kühlschrank.
»Können Sie mir einen großen Gefallen erweisen, Miss Kahn?«
Sie zuckte zaudernd mit den Schultern.
»Ich möchte ganz sichergehen«, sagte er eindringlich leise, »ich meine, was den Tod Ihres Vaters betrifft. Deshalb darf ich nichts außer acht lassen. Vielleicht würde ich der Angelegenheit besser auf den Grund kommen, wenn ich mir vorstellen könnte, wie er war und wo er gelebt hat?« Er sah sie erwartungsvoll an und überließ es bewußt ihr, ihm den Vorschlag zu unterbreiten, den er sich erhoffte.
»Sie meinen, es wäre für Sie von Vorteil, wenn Sie die Wohnung meines Vaters besichtigen könnten?« fragte sie unschlüssig.
Er war erleichtert. Er hatte sie wahrhaftig zu dieser unbewußten Antwort veranlassen können. »Sie haben recht«, sagte er und sah ihr tief in die Augen, »es würde meinem Auftrag sehr dienen.« Er machte sich den Spaß und blieb ganz nahe bei der Wahrheit.
Beim Hinausgehen machte er Menendez mit dem Kopf ein heimliches Zeichen, daß er ihnen folgen solle. Draußen winkte er ein Taxi heran.
17
Die Wohnung bestand aus zwei durch eine Treppe miteinander verbundenen Stockwerken und war besonders schön geschnitten. Auf der unteren Ebene waren die Bibliothek, der Salon, das Arbeitszimmer, die Diele und die Wirtschaftsräume untergebracht. Oben befanden sich das Schlafzimmer, der Ankleideraum und das großzügige Badezimmer.
Jennifer führte Rocha durch die einzelnen Räume. Sie waren beinahe alle mit wertvollen Kunstgegenständen eingerichtet, die durch komplizierte Alarmanlagen gesichert wurden.
Allein in der Diele hingen ein Kandinsky, ein Rousseau und zwei Hopper, da standen eine bronzene Skulptur von Tuaillon und ein Maria-Theresia-Schrank aus dem achtzehnten Jahrhundert.
Aber Rocha hatte dafür keinen Blick übrig. Er ging durch den Salon, ohne daß er die wundervolle Würzburger Bodenstanduhr beachtete oder die kunstvolle Einlegearbeit der Rokokovitrine, in der alte, russische Silberschalen und Leuchter standen.
Er durchstreifte die Räume, nach anderen Gesichtspunkten. Er suchte Geheimfächer, versteckte Tresore, eine grüne Tragetasche oder die Kühlanlage, in der er womöglich ein abgedichtetes, zylindrisches Thermosgefäß vorfand.
»Darf ich?«
Ohne Jennifers Antwort abzuwarten, öffnete er in der Bibliothek die Schubladen eines reichverzierten österreichischen Tabernakelschrankes, klopfte sie auf doppelte Böden ab und untersuchte sie sorgfältig nach verborgenen Seitenfächern.
Sie beobachtete sein Tun mit einem leichten Schmunzeln. »Wenn Sie mir verraten, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
Er sah von einer herausgezogenen Schublade hoch. »Wenn ich das wüßte, wären wir vermutlich schon am Ziel.«
»Mein Vater war sehr gewissenhaft«, sagte sie nachdenklich, »er hat nichts dem Zufall überlassen. Für ihn war ein Banksafe sicherer als ein Geheimfach unter dem Teppich.«
»Es ist immer das alte Lied«, pflichtete er ihr bei, »wir Polizisten könnten uns viel Zeit ersparen, wenn wir nicht darauf gedrillt wären, gegen alle Vernunft und besseres Wissen störrisch genau nach Plan vorzugehen.« Er schob die Schublade ärgerlich wieder zurück und lächelte Jennifer warmherzig an. »Vielleicht suche ich nach Briefen von Freunden oder irgendwelchen Instituten«, log er, »vielleicht aber auch nur nach einer simplen Krankengeschichte.« Er zuckte bedauernd die Schultern.
»Er war nie krank«, korrigierte sie ihn mild.
»Könnte es nicht sein, daß er Ihnen eine Krankheit verschwiegen hatte?« fragte er behutsam und ließ seinen Blick durch die Bibliothek schweifen.
»Nein, das hätte er nicht getan«, stellte sie mit Nachdruck fest und ließ ihn nicht aus den Augen.
Er schwieg und betrachtete noch immer den Tabernakelschrank, als wollte er hier das Geheimnis um den Tod ihres Vaters lösen.
Nach einer Weile sagte er gedankenversunken: »Vielleicht hat er Ihnen eine Krankheit verschwiegen, um Sie nicht zu belasten.«
»Wir hatten keine übliche Vater-Tochter-Beziehung«, antwortete sie mit fester Stimme, »wir waren zwei erwachsene Menschen, die alles offen miteinander besprochen haben …« Sein Mißtrauen gefiel ihr nicht. Doch im nächsten Augenblick dachte sie im stillen: Vater hat mir wahrhaftig nicht alles gesagt. Zumindest nicht den Anlaß seiner Reise nach Galveston.
Sie gingen hinüber in den Salon. Sie setzte sich in einen der Chippendale-Sessel und schlug den Blick nieder, als wollte sie für einen Moment
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