Auf einmal ist Hoffnung
zuviel gewesen. Sie wollte allein sein.
»Ich schlafe schon«, rief sie mit unterdrückter Stimme aufgebracht hinunter.
»Ich muß mit dir reden«, rief er betont laut zurück, damit sie ihm öffnete.
»Nein.«
»Ich läute, bis das ganze Haus wach wird.«
Um es nicht zu einem Ärgernis kommen zu lassen, gab sie nach und betätigte den Türdrücker. Wenig später standen sie sich im Vorraum ihrer Wohnung gegenüber.
»Glaub mir, Jenny, es tut mir leid, daß ich dich wecken mußte, aber es blieb mir keine andere Wahl«, begann er einfühlsam das Gespräch.
»Was hast du mir zu sagen?« fragte sie kühl.
»Ich kann es nicht in zwei Worten sagen. Können wir uns setzen?«
Sie hörte nicht hin und wies ihn heftig zurecht: »Du hast dich vorhin unmöglich benommen.«
»Ich stehe zu dir, das ist alles. Bist du dagegen?« Als sie nicht antwortete und mit verbissenem Unmut an ihm vorbeisah, vervollständigte er: »Ich fühle mich für dich verantwortlich, Jenny. Ich habe den Mann erkannt. Einwandfrei erkannt.«
»Ich glaube dir nicht«, fiel sie ihm ins Wort, »bitte geh.«
Er überlegte kurz und sagte entschlossen: »Wie heißt dieser Mann?«
»Ich habe gewußt, daß das kommt. Geh.«
»Ich bin nicht eifersüchtig. Es geht einzig und allein um deine Sicherheit. Der Mann ist ein Verbrecher. Er arbeitet mit einem Komplizen zusammen. Sie haben mein Büro durchsucht und mich mit einer Pistole bedroht. Und ich habe sogar Beweise, daß die beiden deinen Vater auf dem Gewissen haben.« Er sprach überstürzt, um seine Anklage gegen Rocha geballt loszuwerden.
Sie schwieg, und er ergänzte: »Ich will es dir im einzelnen erzählen.«
Sie hielt den Blick gesenkt. Dann nickte sie, ging voran in den Wohnraum, setzte sich auf die weiße Couch, und er nahm gegenüber von ihr in einem der weißen Sessel Platz.
Er erzählte ihr ausführlich, was er bisher über Rocha und Menendez in Erfahrung gebracht hatte, berichtete, was May Tsang über die beiden wußte, welche Rolle Richard Wehovsky mit seinem Mädchen in der Beweisführung spielte, vom unbefriedigenden Gespräch mit McLintock und der mißglückten Verfolgung des Cutlass.
Sie hörte aufmerksam zu. Doch als er mit seinem Bericht zu Ende war, sagte sie abweisend: »Du irrst dich. Der Mann, der mich vorhin nach Hause brachte, ist Polizist.«
»Polizist?« Er war sprachlos.
»Ist das so ungewöhnlich?«
Er ging auf ihre Frage nicht ein und sah Jennifer voller Mißtrauen an. »Von welchem Revier?«
»Von keinem«, antwortete sie unzugänglich, »er gehört zum Crimes Analysis Office.«
»Er behandelt den Mord an deinem Vater?« fragte er fassungslos.
»Er ist Polizeiarzt«, sagte sie knapp.
»Wie heißt er?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Ja.«
»Lopez«, antwortete sie kaum hörbar.
»Lopez?« wiederholte er skeptisch. Er war verzweifelt, daß sie seine ehrliche Sorge um sie verkannte, und sagte flehentlich: »Du mußt mir vertrauen, Jenny. Ohne Vertrauen kann ich dich nicht überzeugen. Und wenn es mir nicht gelingt, dich zu überzeugen, bist du in großer Gefahr. Womöglich sogar in tödlicher Gefahr.«
Eine Weile war es still im Zimmer. Seine Worte klangen nach. Jennifer lehnte sich wie erschöpft zurück und schloß für kurze Zeit die Augen, als wolle sie sich konzentrieren.
Er stellte erleichtert fest, daß ihr schmales Gesicht nicht mehr so kränklich wie gestern nacht wirkte, daß ihre Wangen schon wieder ein wenig Farbe angenommen hatten, von den Lippen der spröde Zug verschwunden war und die klassische Schönheit ihres Gesichtes wieder zum Vorschein kam.
Sie riß ihn aus diesen Gedanken, sagte unvermittelt: »Ich möchte allein sein.«
»Jenny, ich kann es dir beweisen, daß dieser Mann …« Er brach resigniert ab, denn sie stand wortlos auf und ging in den Vorraum, wie um ihn zum Weggehen zu veranlassen.
Ihr Blick war auf ihn gerichtet wie auf einen Fremden. »Ich will endlich selbständig entscheiden. Ich will mein eigenes Leben bestimmen. Ich brauche nicht den ewigen Beschützer.« Es hörte sich beschwörend an, als wollte sie sich Mut machen. Aber sie war sich auf einmal unschlüssig, ob sie richtig gehandelt hatte, er sah es ihr an.
Schweigen breitete sich aus.
Dann sagte sie: »Du hast davon gesprochen, daß ich in Todesgefahr geraten könnte.« Sie erwartete darauf eine Antwort.
Er vergrub seine Hände in den Manteltaschen, sah Jennifer nachdenklich an und ließ sich mit der Antwort Zeit. »Sie haben bei deinem Vater offenbar nicht
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