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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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verschlungenen Pfaden. Ich erschrak beim Anblick der verkrüppelten Kiefern, die sich früher ausladend über die Wege gespannt hatten, jetzt aber durch Schädlingsbefall kahl waren, die Äste knotig und nackt wie Tentakel. Das Labyrinth war nichts Besonderes. Es wurde zwar in den Führern von Block Island erwähnt, aber eigent lich besuchte man es nur dann, wenn man alles andere schon angesehen hatte. Für uns jedoch war es ein Abenteuer gewesen. Manchmal kamen wir mit Daddy hierher und taten so, als hätten wir uns hoffnungslos verirrt, und später, als wir unsere neu erworbene Unabhängigkeit genossen, kamen wir allein her und fanden einen geheimen Ort, unter Zedern versteckt. Wir setzten uns an die Stämme und bauten kleine Wohnungen, Stöcke bildeten die Wände, Moos die Teppiche, Sandhäufchen die Betten, zwei Splitter von Feuersteinen die Zwillinge, ein glatter grauer Felsbrocken stellte Daddy dar und ein Rauchquarz unsere Mutter. Sie rollte Teig aus, den sie aus einer Eichel nahm, während die Zwillinge neben ihr saßen, Kreise und Sterne ausstachen, und alle lachten und sich freuten, wie perfekt ihre kleine Welt war.
    Ich kroch unter die tief herabhängenden Äste, schloss die Augen und spürte, wie der Regen mir auf den Kopf tropfte. Überall lagen Splitter von Feuersteinen, ich ließ sie durch die Finger rieseln, fing sie mit der anderen Hand wieder auf und ließ sie
fallen. Immer wieder hob ich sie auf, ließ sie fallen, während der Regen langsam schwächer wurde, die Sonne durch die Wolken brach, die Schatten schrumpften und dann wieder länger wurden. Und als mein Blick zu sehr verschwamm, um die kleinen Steinchen zwischen meinen Fingern noch sehen zu können, rollte ich mich auf dem schroffen Boden zusammen und schlief ein.
     
    Die Sonne war bereits ganz herausgekommen, als ich aufwachte. Blind starrte ich ins gleißende Licht. Draußen, warum war ich draußen? Und dann kamen die Bilder: Eves schriller Schrei, ihr verzerrtes Gesicht, die Lippen fast blau vor Schmerz. Sie starb.
    Meine Schultern schmerzten, meine Kleider und meine Haare waren feucht und klebrig. Ich rappelte mich hoch und griff nach einem Ast, um mich festzuhalten. Der Weg schlängelte sich dahin und war in meinem verschlafenen Zustand nicht klar zu erkennen, eine Abzweigung sah wie die andere aus, und die nackten, von Rinde befreiten Bäume beugten sich in Form skelettartiger Silhouetten darüber. Ich machte mich auf den Heimweg und dachte nur an das bequeme Bett, das einst Daddy gehört hatte, an ein Flanellnachthemd, an das Zischen der Heizungsrohre und Justins nach Tinte riechende Papiere.
    Ein unbekannter Wagen stand in der Einfahrt, ein roter Nissan. Und als ich eintrat, hörte ich Eves Stimme, die völlig erholt wirkte und vorsichtig nachfragte. Das war die Stimme, auf die ich bei meinen Telefonverkäufen immer hoffte, weil sie ausdrückte, dass ein Abschluss möglich war.
    Und dann die Stimme einer Fremden. »Ich konnte verstehen, dass ihr die ganze Badeprozedur gehasst habt«, sagte sie. »Es macht natürlich viel mehr Spaß, Verkleiden oder Whiffle Ball zu spielen, aber es musste eben sein.«

    Ich stand an der Treppe und lauschte. Die Stimme klang irgendwie sehr vertraut und brachte etwas längst Vergessenes in mir zum Klingen.
    »Früher bist du weggerannt und hast dich versteckt, und einmal hab ich wirklich gedacht, du seist zur Tür hinausgelaufen, und hab die Polizei gerufen. Doch als sie ankamen, hattest du dich hinter einem Vorhang versteckt. Du warst total begeistert. Einer der Polizisten ließ dich seine Mütze aufsetzen.«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. Ich wollte nach oben gehen und mich in Daddys Bett legen. Ich wollte mir die Kiefernnadeln aus den Haaren kämmen, wollte mich in die Badewanne legen und den aufsteigenden Dampf einatmen, doch meine Füße bewegten sich wie von selbst voran. Ich stand in der Tür und sah in den Raum.
    Sie saßen auf dem Bett, Eve im Nachthemd und die Frau in einem Regenmantel und Stöckelschuhen, und ihr Gesicht glich mehr dem meinen als Eves jetzigem. Sie blickte auf, die Augen weit aufgerissen wie die eines Kindes, und es stand mehr Angst als Freude darin. Oder Schmerz. Oder Liebe. »Kerry«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Du …« Ich schnappte nach Luft. » Du ?«
    Sie schenkte mir ein Lächeln, in dem wieder mehr Angst stand als sonst etwas. »Kerry«, wiederholte sie.
    Ich sah zu Eve, dann wieder zurück, und erwartete fast, sie wäre in der Zeit, als ich mich

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