Auf ewig und einen Tag - Roman
Einwand nicht gehört: »Ich weiß, es ist falsch von mir, ihr die Schuld zu geben, vor allem jetzt. Aber sie war so bedürftig, und sie muss gewusst haben, wie das auf mich wirken würde. Ich war neunzehn, und sie war so verletzlich und verängstigt, wegen allem, was in ihrem Leben passiert ist.« Er starrte auf seinen Notizblock, dann warf er ihn auf den Tisch. »Ich wollte sie trösten und beschützen, und sie hat das ausgenutzt. Ich werfe ihr das nicht vor, aber ich versuche, dir begreiflich zu
machen, wie schwierig es für mich war, dass sie mir in einer Zeit so zugesetzt hat, als wir alle völlig verwirrt waren. Ich wusste nicht genau, was ich brauchte, aber ich brauchte etwas. Und sie war da.«
»Du bist zuerst zu ihr gegangen«, sagte ich erneut. »Selbst vor der Nacht, in der Ryan starb. Hör auf, dich selbst zu belügen, Justin. Nicht sie hat etwas getan, sondern du.«
Er stand plötzlich auf und ging zum Fenster. Als er sich umdrehte, wirkte sein Gesicht bleich in dem ständig flackernden Licht. »Das spielt jetzt ohnehin keine Rolle mehr. Es ist egal, was damals passiert ist, weil ich sie jetzt brauche. Gottverdammt, ich liebe sie so sehr.«
Ich starrte auf den Tisch, die Worte rasten durch mich hindurch, immer schneller und schneller, bis ich sie nicht mehr zurückhalten konnte. »Wie konntest du nur, Justin?«, fragte ich. »Warum hast du mir nicht einfach die Wahrheit gesagt?«
Ohne Vorwarnung beugte er sich plötzlich vor und drückte die Lippen auf meinen Mund.
Ich schreckte zurück, und er griff nach meinem Arm. »Kerry …«
»Was tust du da? Du liebst Eve, du brauchst sie, und jetzt grapschst du mich an?«
Justins Gesicht schien nach innen zu sinken. »Ich weiß nicht.«
»Du möchtest bloß irgendeine Belohnung dafür, weil du dir einredest, du liebst deine Frau, weil du denkst, du liebst sie genug, um zuzusehen, wie sie weiß Gott wie lange leidet? Das ist wirklich ehrenwert, Justin, du bist ein Heiliger.«
»Ich weiß nicht! Die ganze Sache, alles war ein solcher Fehler, ich versuche bloß das Beste aus einer völlig verfahrenen Situation zu machen.«
Plötzlich erinnerte ich mich an Eves Worte vor langer Zeit. Justin habe mich gewollt, damit er mich küssen und sich dabei vorstellen konnte, ich sei sie. Eve starb, und jetzt wollte er mich wieder. Meine Hände zitterten. Ich ballte sie zu Fäusten und stand auf. »Das Beste für wen?«, fragte ich.
Er sah mich an, ohne etwas zu erwidern. Sein Adamsapfel hüpfte, als er schluckte.
»Ich habe dich geliebt«, sagte ich. »Vielleicht werde ich dich immer lieben, aber ich bin keine siebzehn mehr. Ich weiß genug, um mir nicht mehr vormachen zu können, die Dinge wären anders, als sie sind.« Ich sah ihm einen Moment in die Augen, dann ließ ich ihn zurück und ging in mein Zimmer.
Ich zog den Umschlag unter meinem Bett hervor, die Briefe, die mich von hier vertrieben hatten. Ich legte sie mit der Vorderseite nach oben und fuhr fort, die einzelnen Teile zusammenzusetzen. Ich spürte nicht, wie die Zeit verging, nahm kaum die Laute des Winds, das Knacken der Äste oder den Sonnenstrahl wahr, der von einem Fenster zum anderen wanderte und schließlich hinter den Bäumen verschwand.
Als ich endlich mit meiner Arbeit fertig war, starrte ich auf Eves Brief.
Justin,
was ich Dir letzte Nacht sagte, war eine Lüge, das war Dir klar, nicht? Ich habe es einfach satt, herumzuspielen und herumzuraten. Dies ist also das letzte Spiel: Ich bin schwanger, Justin. Mit Deinem Kind. Und ich werde es behalten, egal, was mit uns geschieht. In mir ist eine Leere, und mein ganzes Leben, vermutlich seit Mom uns verlassen hat, ist darum gebaut. Früher dachte ich immer, Du könntest diese Leere vielleicht ausfüllen, aber wie
sich herausstellt, brauchte ich Dich nicht. Zum ersten Mal bin ich ausgefüllt. Ich bin im Zimmer meines Dads, wenn Du darüber reden willst.
In Liebe, Eve.
Ich betastete die inzwischen vergilbten Schnitzel. Er hatte meinen Brief zuerst gelesen, den Brief eines Kindes, dann den von Eve, und entschied sich fürs Erwachsensein. Wer könnte ihm das verdenken? Ihnen beiden.
Ich nahm die Schnitzel mit ins Badezimmer und hob den Toilettendeckel. Sie drehten sich langsam in einer Spirale und verschwanden dann, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sie hatte ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt. Sie hatte es ihm gesagt, aber sie hatte jedes Recht dazu. Eve, Justin, Gillian, ich - keine Dreiecksgeschichte, sondern ein Liebesquadrat. Und wann
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