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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Blick abwesend und deren Wangen nass waren. Ich beobachtete ihr Gesicht, als sich Charlotte, die Spinne, aufs Sterben vorbereitete, und wusste, dass ihre Tränen, genau wie die meinen, mehr mit dem Leben als mit dem Sterben zu tun hatten.
    »Warum tust du das alles für mich?«, fragte Gillian. »Ich verdiene das nicht. Ich habe nie etwas für dich getan.«

    »Du warst mein Freund«, antwortete die Spinne. »Das ist an sich schon eine gewaltige Sache. Ich habe meine Netze für dich gesponnen, weil ich dich mochte. Abgesehen davon, was ist schon ein Leben? Wir werden geboren, leben eine kleine Weile, dann sterben wir. Indem ich dir half, habe ich vielleicht versucht, aus meinem Leben ein bisschen was Besseres zu machen. Ein wenig davon tut jedem Leben gut.«
    Justin nahm Eves Hand. Kurz darauf nahm er auch meine. Wir saßen da und beobachteten die kleinen Mädchen, die Frauen werden würden, die noch nicht reif waren, aber vielleicht reifer, als wir dachten. »Sie sieht wie du aus«, flüsterte Justin. Und Eve und ich drehten uns um, um ihn durch tränenverhangene Augen anzusehen, als hätte er uns beide angesprochen.
     
    Mit angestrengt hochgerecktem Kinn hatte Eve ständig um Atem gerungen, und ihre Nägel waren blau angelaufen. Ich begriff mit einem Mal, dass ich nie mit Sicherheit wissen würde, ob Justin je wirklich mein gewesen war oder ob er je vollkommen ihr gehört hatte. Aber mir wurde auch klar, dass nichts davon zählte. Alles, was zählte, war, dass sie die Kraft für den nächsten Atemzug hatte, dass die Pause nach diesem nächsten Röcheln wirklich nur eine Pause wäre und wir noch genügend Zeit hätten, alles zu sagen, was gesagt werden musste.
    Eve hatte mich verletzt, mir mein Leben genommen, aber sie hatte damals noch nicht genug vom Leben gewusst, um wirklich zu verstehen, was sie tat. Also war es geschehen, also hatte es all die Lügen gegeben. Aber es gab auch kein Zurück mehr in die Vergangenheit.
    Ich richtete Eve in den Kissen auf, aber das tat ihr im Nacken weh, deshalb stellte ich das Kopfteil des Betts leicht schräg, rieb
mit der Handfläche über ihre Brust und redete - in beruhigendem Tonfall, wie ich hoffte - über die stickige Sommerhitze, eine Reiherwanderung und Bumper Boats im Hafen. In meinem Innern jedoch schlug mein Herz gegen meine Rippen, und mein Atem ging so schwer, als wollte ich ihren nachahmen.
    Ich wusste, sie hörte nicht zu, und war nach einer Weile sicher, dass sie eingeschlafen sein musste, doch als ich aufstand, um sie zuzudecken, packte sie mein Handgelenk mit größerer Kraft, als ich ihr noch zugetraut hätte. »Bitte«, flüsterte sie.
    Ich sah auf ihre mageren Finger hinab, auf die kleinen wunden Stellen, die seit ein paar Tagen ihre Arme bedeckten. Ich wusste natürlich, was sie wollte. Sie hatte mich immer und immer wieder darum gebeten, jedes Mal dringlicher. Das Problem war, sie wusste, dass es in wenigen Stunden vorbei sein, aber auch noch Wochen oder gar Monate dauern konnte. Monate wie diesen oder noch schlimmere. Sie konnte ins Koma fallen, Nieren, Leber und Magen konnten die Funktion einstellen, obwohl sie immer noch am Leben wäre. Es war entsetzlich, darüber nachzudenken, aber noch entsetzlicher war es, sich vorzustellen, ihr beim Sterben zu helfen.
    Ich küsste ihre Finger und löste sie von meinem Handgelenk. »Du solltest schlafen.«
    »Mist«, sagte sie. »Du glaubst …« Sie konnte den Satz nicht beenden und rang nach Atem.
    Ich rieb ihr hilflos die Brust. »Ich weiß«, war alles, was ich herausbrachte. Mit schlaffem Gelenk schob sie meine Hand weg. Ich wollte bleiben, ertrug es aber nicht länger, einfach nur herumzusitzen. Also ging ich hinaus und spürte, wie sich alle Muskeln meines Körpers verspannten.
    Justin stand im Gang. Er wippte von den Fersen auf die Zehen,
immer wieder, eine herzzerreißend kindliche Bewegung. Seine Augen waren rot, und ich griff nach seiner Hand.
    »Du gehst gut mit ihr um«, sagte er. »Wirklich, du weißt einfach, was sie braucht und wie du es ihr geben musst.«
    »Was sie braucht, ist, sterben zu können.«
    Justin ging darauf nicht ein. »Irgendwie kannst du darüber hinweggehen, lässt sie sagen, was sie sagen muss, ohne zu zeigen, wie weh es tut, sie anzusehen.«
    »Sie muss endlich sterben können«, sagte ich erneut und schloss die Augen.
    »Ich weiß.« Justin nahm mich in den Arm, ich lehnte mich an ihn und legte den Kopf an sein nach Seife und Schweiß riechendes Hemd.
    Mit dem anderen Arm zog er

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