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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Warzenmelone in einem Rupfensack und Eve ein Bund violetter Weintrauben. »Nicht alles«, sagte ich. »Einiges war echt.«
    »Es ist Zeitverschwendung, die durchzusehen und sich etwas zu wünschen, was man nie hatte.« Sie wirkte zornig und kämpfte mit den Tränen. »Ich vermisse ihn nicht.«
    »Was?«
    »Ich dachte, ich vermisse ihn, aber jetzt stelle ich fest, dass es gar nicht so ist. Und wenn man es genau bedenkt, hatten wir ihn auch nie wirklich. Wenn man sich dieser Tatsache stellt, ist der Rest weniger schlimm.«
    Eve griff nach dem Foto in meiner Hand. Sie sah es eine Weile an und wurde plötzlich rot. »Erinnerst du dich noch, wie ich so dringend pinkeln musste? Und Justin musste meine Traubenballons zerstechen, damit ich das verdammte Kostüm ausziehen konnte? Ich hab’s kaum noch geschafft.«
    Ich lächelte. »Du hast laut gebrüllt und bist auf der Stelle gehüpft, und um dich herum platzten die Luftballons.«
    »Ich glaube, wir haben die Kostüme noch irgendwo.« Eve stand auf und kramte im Schrank, griff nach hinten und begann zu lachen. »Mann, ist das Ding hässlich.« Sie zog eine beigefarbene Mütze und einen mit grünen Streifen bemalten Rupfensack heraus. »Wie kommt es eigentlich, dass wir keine Märchenprinzessinnen
sein wollten wie normale Leute? Zieh es an, Kerr. Lass sehen, ob es noch passt.«
    »Nur wenn du das purpurne Schlauchkleid anziehst, in dem du wie eine Aubergine ausgesehen hast.«
    Eve grinste, griff nach dem Kleid und starrte es an. »Und dann machen wir Fotos, mit denen wir uns gegenseitig erpressen können, wenn wir reich und berühmt sind.«
    Ich zog mich aus und stülpte mir den Sack über den Kopf. Damals war er lose heruntergehangen, aber jetzt spannte er über meinen Brüsten und unter den Armen, und sein früher ausgestopftes Mittelteil hing mir wie ein schlaffer Bauch um die Knie. Ich kicherte, machte ein Plié wie eine Ballerina und hüpfte dann mit ausgestreckten Armen auf und ab. »Bin ich nicht schön? Ich sehe aus wie ein Schimmelpilz an einem Baum.«
    »Mein Gott, wie wir gewachsen sind«, sagte Eve.
    Ich drehte mich um und hätte fast laut nach Luft geschnappt. Dieses purpurne Kleid legte sich so eng um ihre Taille, Hüfte und Brüste, dass man die Einkerbung ihres Nabels sehen konnte. Ihr mit Ziermünzen geschmücktes passendes Haarband hielt ihr Haar straff zurück und hob die Sehnen an ihrem Hals hervor. »O Scheiße«, sagte ich. »Du siehst wie eine Stripperin aus.«
    Eve ließ die Hüften kreisen, warf den Kopf zurück und sang mit tiefer, kehliger Stimme: »Oooh, I heard it through the grapevine …«
    Ich beobachtete, wie sie sich bewegte, wie ihre Hände über ihren Körper strichen, dann drehte ich mich zum Spiegel und sah mich in dem Rupfensack an. Die Lachtränen trockneten auf meinen Wangen, und plötzlich erinnerte ich mich an den Moment, als wir acht oder neun waren und Eve den Caines eine Schachtel Zigaretten gestohlen hatte. Daddy hatte sie gefunden,
und wir bekamen beide den Hintern versohlt, bis er knallrot war. Aber davor, als ich die Schachtel in unserer obersten Kommodenschublade liegen sah, hatte ich das gleiche leichte Kribbeln im Bauch gespürt wie jetzt - wie eine Warnung.

5
    Inselwetter ist launisch. Vor allem im Herbst kommt plötzlich Wind auf, nimmt die Luft, die sich noch nach Sommer anfühlt, und verwandelt sie in eine winterliche. An Tagen wie diesen fuhren die Fähren nicht und blieben lieber im geschützten Hafen, was uns völlig von der Außenwelt abschnitt. Die Insel ist nur zwölf Meilen von der Küste von Rhode Island entfernt, aber in einer stürmischen Nacht könnten es genauso gut tausend Meilen sein.
    Eve und ich saßen auf der Wohnzimmercouch und sahen zu, wie der Regen an den klappernden Fenstern hinabströmte. Die Heftigkeit des Ganzen war erschreckend und faszinierend zugleich, wie etwas Riesiges, das vor Schmerz schreit.
    Plötzlich fiel mir ein Winter vor langer Zeit ein, als der Wind genauso heulte, Eve und ich beide schreiend aufwachten und Daddys Gesicht wie ein weißer Mond an unserer Tür auftauchte. Er brachte uns hierher nach unten, wir kuschelten uns aneinander, tranken Kakao, lauschten dem Hagel, der gegen die Fenster prasselte, und fragten uns, ob die Scheiben wohl zerbrechen würden.
    »Erinnerst du dich, wie uns Daddy vorlas«, fragte ich jetzt, »als wir hier saßen? Er sagte immer: ›Ich habe zwei Mädchen, weil ich zwei Knie habe‹, weißt du noch?«
    Von draußen ertönte ein Donnerknall. Die

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