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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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wieder und statt allen Feinden, die sie sonst quälten, war Liebe Dank und Vertrauen in ihren Kreis getreten. Forster schreibt uns seitdem, daß er froher wie je auf seinem Weg fortgehe und unsre Zukunft nur einst mit der seinen vereinigt wünsche. Er sieht sehr wohl aus – nach und nach hat er sich auch wieder etwas Kleider und Wäsche gekauft, denn er hatte gar nichts aus Mainz mitgenommen.«
    In der Biographie Hubers, die Therese nach dessen Tod verfaßte, hat sie die gemeinsame Zeit um einen weiteren Tag verlängert. »Von Schnee und Felsen umgeben, in einem elenden Bauernwirtshause, verlebten sie dort fünf wunderbare, unvergeßliche Tage.«
    * * *
    »Der unglückliche Lux ist, nach seinem Wunsche, ein Freiheitsmärtyrer auf der Guillotine geworden. Diese Nachricht hat mir heut (Sonntag den 10.) den ganzen Tag verdorben. Dazu kommt noch das ganz unbeschreiblich schlechte Wetter.« Forster sitzt immer noch in seinem Gasthauszimmer in Pontarlier. Er kann sich nicht losreißen. Nun versichert er plötzlich, Therese und Huber könnten doch unbesorgt zu ihm kommen. Aber die hofften inzwischen, auf einem anderen Weg, in der Schweiz, zum Scheidungsziel zu kommen.
    »Sehen Sie nicht, daß die Ohnhosenherrschaft wirklich herrschend im Geiste der Menschen werden muß?« schreibt Forster an Huber. Er arbeitet an einem Buch, das diese Überzeugung propagiert. Der Verfasser der Parisischen Umrisse muß unglücklich und zornig gewesen sein. Was ihm mit Mainz nicht geglückt war, versuchte Forster nun mit der Französischen Revolution insgesamt. Er wollte sie retten.
    Wieder hat er die Briefform gewählt, um seine Sicht der Dinge darzustellen, aber anders als bei der aufgegebenen Geschichte der Mainzer Republik stimmen fiktive und reale Datierung der Briefe (nach dem Revolutionskalender) annähernd überein. Ihr Adressat ist ein deutscher Jedermann, Forsters »guter Antigallikaner«, der für die vielen Menschen steht, die sich nach den Septembermorden, spätestens aber nach der Entmachtung der Gironde desillusioniert von der Revolution abgewandt haben, zumindest von der real existierenden jakobinischen. Menschen wie Therese und Huber, für dessen Friedens-Präliminarien dieser Text bestimmt ist, der alles andere als versöhnlich ist. Er ist glänzend geschrieben und ziemlich verstörend. Das Problem ist nicht, daß Forster darin einen radikalen Standpunkt einnimmt. Auch heute noch gibt es Historiker, die ihn teilen, und sie haben dafür gute Gründe.
    Wenn wir von der terreur , der Schreckenszeit, hören, denken wir zumeist an die vielen Opfer der Guillotine, die bleierne Zeit von Verdächtigung und Verrat und Tod. Aber dem einfachen Volk ist es unter der Jakobinerherrschaft besser gegangen als zuvor, und es gab viele menschenfreundliche Maßnahmen, Beschlüsse, Erlasse der Pariser Kommune. Der Historiker Jules Michelet hat in seinem großen Revolutionsepos auch daran erinnert.
    »Sehen wir, was die Register im November 1793 bringen, wagen wir uns in diese Archive des Verbrechens, dringen wir ein in den Schlupfwinkel der ruchlosen, der fürchterlichen, der blutdürstigen Kommune«. Eine kleine Auswahl aus seiner langen Liste jakobinischer Reformen:
    »Ein von seiner Mutter schlecht behandeltes junges, elfjährigesMädchen wird vom revolutionären Ausschuß seiner Sektion vorgeführt und bittet um Arbeit. Die Sektion übernimmt es, für seinen Unterhalt zu sorgen.
    In Bicêtre und anderen Hospitälern sollen in Zukunft die Verrückten und die Epileptiker von den Kranken gesondert untergebracht werden.
    In der Salpêtrière [der Irrenanstalt] sollen die scheußlichen Zellen verschwinden, in denen die Tobsüchtigen eingeschlossen wurden.
    Mit besonderer Sorgfalt sollen die in der Niederkunft befindlichen Frauen behandelt werden. Man weist ihnen (zum erstenmal!) ein besonderes Haus an.
    Auch lese ich, daß die Kommune bei öffentlichen Festen und Versammlungen den schwangeren Frauen und den Greisen besondere Plätze anweisen ließ, um sie vor dem Gewühl der Menge zu schützen.
    Die Sektion Bonne-Nouvelle verlangt, daß die Bibliothek ihres Arrondissements alle Tage geöffnet bleibt.
    Es wird eine Prüfungskommission für Krankenpfleger ernannt.
    Man wird nach Mitteln suchen, um die Armen, die Siechen und die Greise unterzubringen.«
    Verstörend ist also nicht, daß Forster sich auf die Seite der Radikalen schlägt, sondern wie er es tut. Der Tonfall ist bald ironischvertraulich, bald schneidend sarkastisch, bald prophetisch.

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