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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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Polizist. »Hunderte von Beamten schlagen sich die Nacht um die Ohren und mühen sich ab, Tracey zu finden, und ihr Vater trinkt Champagner und beutet diese ganze scheußliche Sache aus, um damit Geld zu machen.«

    24  Johann Heinrich Füssli.
Ölgemälde von John Opie, 1794.
    Füssli war ein sehr kleiner, unruhiger Mann mit einem faszinierend häßlichen, von durchdringenden Maleraugen beherrschten Gesicht. Magier? Löwe? Reptil? »Genialischer Kopf voll Energieund talentvoll«, urteilte sein Jugendfreund, der Theologe Johann Kaspar Lavater, der seine Zeitgenossen lehrte, den Charakter eines Menschen aus seiner Physiognomie zu lesen. Bei Füssli war alles Ausdruck. »Wenn jemals ›ein Körper dachte‹, dann der seinige. Jeder Muskel und jede Sehne bei der Bewegung eines Fingers, dem Strecken eines Armes, das Zurückwerfen des Kopfes, das Heben der Augenbrauen, war Instinkt mit Geist und Gefühl.«
    Wie viele kleine Männer blies er sich mächtig auf, dabei war er im Grunde ein scheuer Mensch. Seine Eitelkeit war legendär – »Ich hasse dieses Reptil Eitelkeit, das seine Schleimspur über die edlen Eigenschaften Ihres Herzens legt«, soll Mary ihn getadelt haben. In Gesellschaften duldete er keine anderen Götter neben sich – »wenn man seine Unfehlbarkeit bezweifelte, war er merklich verärgert« – und monopolisierte das Gespräch, was man ihm in der Regel gern verzieh, weil er so unterhaltsam war und durch Wissen, Phantasie und scharfzüngigen Witz glänzte. Er sprach hastig und heftig, ohne Punkt und Komma, mit einem harten schweizerdeutschen Akzent, ging schnell in die Luft, war ebenso schnell wieder besänftigt und nahm kein Blatt vor den Mund. Fluchen war seine Lust und Leidenschaft, den Teufel führte er beständig und vielsprachig im Mund, devil, diable , diabolo. Ein »ausgezeichneter Hasser, haßte er einen Langweiler, was witzige und talentvolle Männer meistens tun, und er haßte einen brillanten Mann, weil er keinen neben dem eigenen Thron ertragen konnte.« So subversiv seine Bilder waren, in seinen Urteilen über Kunst und Literatur war er konventionell und zurückgeblieben, wie Godwin meinte. Unter den Lebenden fand fast niemand Gnade vor seinen Augen, und von den Toten ließ er nur wenige gelten, die er als seine Götter verehrte.
    Homer, in dem er jeden Morgen las, während er sich frisieren ließ, »bedeutete ihm das Wesen und den Inbegriff aller menschlichen Vollkommenheit, und Milton, Shakespeare und Richardson standen für ihn in erster Reihe. Als einziger Rivale Homers, wenn dieser überhaupt einen Rivalen haben kann, galt ihm Jean-Jacques Rousseau. Beherrscht von Rousseaus Verherrlichung des Naturzustandes und dessen Verurteilung aller Zivilisation, blickte er auf unsere ganze Literatur, insoweit sie den Fortschritt propagiert, fast mit Verachtung und Gleichgültigkeit herab. Eine seiner Lieblingsbehauptungen war die vom göttlichen Ursprung der Genialität. Diese kommt seiner Meinung nach direkt aus den Händen des Schöpfers aller Dinge, und die ersten Versuche des echten Genius seien immer derart, daß sie durch den ausdauerndsten Fleiß nicht verbessert werden könnten. Wenn man noch hinzufügt, daß Füssli es verstand, seine Meinung scharf und witzig auszudrücken, und daß er in jeder neuen und modernen Sache einen Gegenstand seiner ätzenden Kritik sah, so darf man glauben, daß Mary aus seiner Schule mit mehr Neigung zum Zynismus hervorging, als ihr vorher eigen war.«
    Ein enfant terrible im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schüler nannte ihn eine »groteske Mischung von Literatur, Kunst, Skeptizismus, Taktlosigkeit, Gottlosigkeit und Freundlichkeit. Schwache Geister zerstörte er. Sie verwechselten seinen Witz mit Verstand, sein Fluchen mit Männlichkeit, seine Treulosigkeit mit Geistesstärke, aber er verstand sich in der Kunst, junge Gemüter mit hohen, großartigen Visionen zu erfüllen.«
    Wie einnehmend, hilfsbereit und inspirierend er als Lehrer sein konnte, hat eine Frau namens Margaret Patrickson nach Füsslis Tod dankbar geschildert. Sie kam mit neunzehn als Malschülerin zu ihm, wurde von ihm in jeder Weise gefördert und ging sieben oder acht Jahre lang bei ihm ein und aus. »Er gewährte mir zu allen Zeiten Zugang zu seinem Atelier – (die Pförtner hielten niemals mehr Förmlichkeit für nötig als ›Mr. Füssli ist in seinem Atelier, Miss‹). Ich war von Natur aus nicht schüchtern, aber ihm gegenüber verlor ich meine ehrfurchtsvolle Scheu nie. Bis zu

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