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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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sein, zwei Stellen von ihm, die ich hierher setzen will, mit einander zu vereinigen. Doch in solche Widersprüche lassen sich oft auch große Männer durch ihre Sinne führen!
    ›Zu Ihm spricht Eva, göttlich schön geschmückt:
    Mein Herr und mein Gebieter! Du befiehlst;
    Ich folge schweigend Dir: so will es Gott,
    Der Dir Gesetz ist, wie Du mir: nicht mehr
    Als dieses wissen, ist des Weibes Ruhm
    Und beste Wissenschaft –‹
    Das sind denn freilich Vorstellungen, von denen ich auch wohl hier und da Gebrauch machte, wenn ich Kinder zu behandeln hatte.
    Dagegen scheint eben dieser Dichter in andern Versen wieder mit mir einverstanden zu sein, wo er Adam mit seinem Schöpfer auf folgende Art rechten läßt:
    ›Soll ich nicht hier Dein Stellvertreter sein?
    Und steht nicht jene Zunft weit unter mir?
    Sie ungleich mir – wo wär' ein Band für uns?
    Wo Harmonie und inniger Genuss?
    Nein, gegenseitig muß die Freundschaft sein,
    In gleichem Maß' empfangen und erteilt.
    Ist eine Saite stark gespannt und schlaff
    Die andre, stimmt sich nie ein reiner Ton.
    Nach Gleichheit strebt mein Blick, sie sucht mein Herz –
    Ich ring' nach ihr, die mitgenießen kann
    Die Geistesfreuden all –‹«
    * * *
    Die Widersprüche großer Männer, die sich einerseits nach gleichen Gefährtinnen sehnten, die zum Mitgenuß von Geistesfreuden (rational delights) fähig waren, andererseits aber auch ihr Herr und Gott sein wollten, Mary konnte ein Lied davon singen! Ihre Vindication ist aufs innigste verbunden mit ihrer Beziehung zu Füssli, ist gewissermaßen ihr Milton-Projekt. Sie wollte sich damit von ihm emanzipieren und um ihn kämpfen. Vor allem aber hätte sie ihn so gerne von ihrem neuen revolutionären Modell einer Partnerschaft überzeugt. Mit dem Gestus kühler Sachlichkeit schreibt die fast Dreiunddreißigjährige: The French, whoadmit more of mind into their notions of beauty, give the preference to women of thirty [ 48 ] .

    26  Mrs. Füssli mit ihrem Arbeitskorb. Zeichnung
von Johann Heinrich Füssli, 1790/92.
    Sinnliche Liebe hält sie für weit überschätzt, da vergänglich, die Ehe oft für nichts anderes als legale Prostitution. Dafür singt sie das hohe Lied der Freundschaft mit ihren wertvollen rational delights , die den meisten Frauen auf ewig verschlossen bleibe. Mit ihren Geschlechtsgenossinnen geht sie hart ins Gericht. Bisher ließen sich die Frauen grob in zwei Kategorien einteilen, in die unnützen feinen Damen, »die ihre Launen pflegen und von Empfindsamkeit überfließen«, und die zu Fleiß und Wirtschaftlichkeit erzogenen Frauen. Sie hatte Füsslis Sophia vor Augen.
    »Sie sind oft freundliche, gute Geschöpfe und besitzen nicht selten einen sehr geübten Mutterwitz mit Weltklugheit verbunden, wodurch sie mehrenteils weit nützlichere Glieder der Gesellschaft, als jene feinen, empfindsamen Damen werden, obman gleich weder Größe der Seele, noch Geschmack bei ihnen suchen darf. Die geistige Welt ist für sie ein verschlossnes Buch; nehmt sie aus dem Kreise ihrer Familie oder Nachbarn heraus, und sie stehen stille: denn Literatur können sie unmöglich unterhaltend finden, weil ihre Seele nie aus dieser reichen Quelle von Vergnügen kosten mochte, vielmehr sie jederzeit verachtete. Die Gesinnungen und der Geschmack, den sie an gebildetern Mädchen, selbst an solchen, die ihnen Zufall und Familienverbindungen wert gemacht haben, bemerken, sind ihnen lächerlich; an andern, die nur ihre Bekannten sind, halten sie das alles bloß für Ziererei.

    27  Die Debütantin. Zeichnung von
Johann Heinrich Füssli, 1807.
    Ein vernünftiger Mann kann eine solche Frau allein ihres Geschlechts wegen lieben und sie bloß darum achten, weil sie einetreue Hausmagd ist. Seiner eignen Ruhe wegen läßt er sie nach ihrem Belieben das Gesinde ausschimpfen, und am Sonntage in den allerschönsten Kleidern nach der Kirche gehen.«
    Wie nahm Füssli diese Passage auf? Wie all die anderen Stellen der Vindication , die an seine Adresse gerichtet waren? Man kann sich sein sardonisches Lächeln vorstellen, wenn er las, wie Mary – ausgerechnet Mary! – leidenschaftlich der Vernunft huldigte und die taghelle Utopie eines Gemeinwesens beschwor, das ganz im Zeichen dieser Göttin stehen würde.
    Peter Tomory hat in seiner Monographie Füsslis darauf hingewiesen, daß der Maler ihr in Bildern antwortete. Erst seit der Freundschaft mit Mary seien Frauen zu einem beherrschenden, beständigen Thema seiner Bilder geworden. Daß er

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