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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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mit diesen neuen Titeln geadelt –, der Geschmack an seiner neuen Würde gefunden hat, fürchtet, wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückzusinken, und strebt danach, Heu zu machen, solange die Sonne scheint; und jeder kleine städtische Offizier, der das Idol oder vielmehr der Tyrann des Tages geworden ist, stolziert herum wie ein Hahn auf dem Mist.«
    Auch ihre Vorurteile gegen die Franzosen – durch Lektüre wohlbegründete Vorurteile, wie sie betont – hat sie bestätigt gefunden. Sie sind das zivilisierteste Volk der Erde mit den bestenManieren, und das sinnlichste, vergnügungssüchtigste, prinzipienloseste, leichtlebigste, stellt sie streng fest – aber das ist auch gut so! Man reibt sich verwundert die Augen: Gerade noch hat Mary mahnend den Zeigefinger gegen die ausgelassene Festgesellschaft erhoben – und jetzt prostet sie uns mit einem Glas Champagner zu.
    »Die ganze Lebensweise hier ist dazu angetan, das Volk frivol und, um ihr Lieblingsattribut zu borgen, liebenswürdig zu machen. Jede Gelegenheit nutzend, schlürfen sie das perlende Vergnügen vom Becherrand und überlassen denjenigen, die es wagen, tiefer zu trinken, die Übersättigung auf seinem Grund. Auf allen Seiten trippeln sie daher, beflügelt von ihrem élan vital und offensichtlich so sorglos, daß ich, wenn ich auf den boulevards spazierengehe, oft denke, daß sie allein das Wort Muße in seiner vollsten Bedeutung kennen; und sie vertändeln die Zeit mit höchst zufriedener Miene. Ich weiß nicht, wie ich mir sie weiser wünschen könnte, ohne daß es auf Kosten ihrer Heiterkeit geht. Sie spielen vor mir wie Stäubchen im Sonnenstrahl, sich am vergänglichen Licht erfreuend, während ein Engländer, der nach beständigerem Glück strebt, bei der Analyse seiner Freuden die flüchtigen Genüsse des Augenblicks versäumt. Es ist wahr, ihr höchstes Vergnügen entspringt der Eitelkeit, aber es ist nicht die Eitelkeit, die drückt, im Gegenteil, sie macht die schwere Bürde des Lebens leichter.«
    Eine neue Leichtigkeit des Seins! »Diejenigen, die für sich und ohne engere Freundschaften oder warme Zuneigung leben wollen, sollten in Paris leben, denn die Leute haben die angenehmste Art, sich die Zeit zu vertreiben – und ihre Urbanität wie ihr Mobiliar ist très commode «, schreibt Mary am 20. Januar an Eliza und fügt geheimnisvoll an: »Und doch ist mir sogar echte Zuneigung in Paris begegnet.«
    Anfang Januar waren ihre Gastgeber nach Paris zurückgekehrt – »Ich mag Monsieur Fiellettaz – er hat sehr sanfte Umgangsformen«. Sie war nicht mehr allein in dem großen Haus in der Rue Meslée, sondern so oft in Gesellschaft, daß es ihrmanchmal zuviel wurde. Die meisten Abende verbrachte sie bei Thomas Christie und seiner Familie, wo bald auch Georg Forster ein und aus ging. Öfter war sie auch in der Rue Helvétius bei Helen Maria Williams, die sie bisher nur aus deren Büchern gekannt und gleich nach ihrer Ankunft aufgesucht hatte. »Sie war sehr zuvorkommend zu mir, und ich werde sie oft besuchen, weil sie mir ziemlich gut gefällt und ich neue Bekanntschaften in ihrem Haus machen kann. Ihr Benehmen ist affektiert, aber die einfache Güte ihres Herzens bricht dauernd durch den Lack, so daß man eher geneigt ist, jedenfalls bin ich es, sie zu lieben als zu bewundern. – Die Schriftstellerei ist für weibliche Schultern ein schweres Gewicht, besonders im Sonnenschein des Wohlstands.«
    Oder sie war in der Rue de la Chaussée-d'Antin im luxuriösen Stadtpalast des Bankiers Johann Caspar Schweizer und seiner Frau Magdalena – my favourite nannte Mary sie. Die Bekanntschaft hatte Füssli gestiftet, der einst für sie geschwärmt hatte.
    Ein Biograph charakterisiert Magdalena als »reizendes, sorgloses, originelles Wesen, phantastisch und gutmütig, in ihrer Jugend etwas moquant«. Sie liebte die Kunst, kleidete sich apart in griechische Gewänder, glaubte an Magnetismus und hatte ein mitleidiges Herz. Nach dem Sturm auf die Tuilerien und den September-Massakern war die real existierende Revolution für sie erledigt. »Das merkwürdigste ist, wie seit den Mordtagen die Menschen sich verbösert haben«, schrieb sie einem Züricher Freund. »Jedes Kind lacht, hüpft und freut sich, Totenköpf zu sehen oder selbst im Triumph in der Stadt herumzutragen.«
    Der kosmopolitische Geist der Menschheitsverbrüderung ist nur noch ein schüchternes Flämmchen, nun herrschen Nationalismus und militanter Patriotismus. Paris ist ein Dorado

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