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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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haben, denn sein Mitleid und seine Freundlichkeit haben so manche Not gelindert«. Das düstere Gemach, das man ihnen zuwies, lag im Stockwerk über den ehemaligen Staatsgemächern. Die Fenster gingen auf den Jardin du Luxembourg hinaus, waren verbarrikadiert und oben mit Eisengittern versehen. Auf ihrem Matratzenlager fielen sie erschöpft in einen tiefen Schlaf.

Salon Égalité
    »Am nächsten Morgen ging die Sonne mit ungewöhnlicher Helligkeit auf, und mit Hilfe eines Tisches, auf den ich stieg, sah ich durch unser vergittertes Fenster auf die schönen Gärten des Luxembourg. Die großen majestätischen Bäume hatten ihr Laub noch nicht verloren; und obwohl sie, wie unser Geschick, ›in das Verdorren, das gelbe Blatt‹ [ 25 ] gefallen waren, zeigten sie noch das reiche Farbenspiel, das zum Herbst gehört. Die Sonne vergoldete die gotischen Türme der umliegenden Klöster, die ihre Spitzen über altehrwürdige Haine reckten, während sich im Hintergrund die Hügel von Meudon erhoben. Es schien mir, als ob die abnehmende Jahreszeit ihre letzten Reize über die Landschaft verbreitet hätte, um meine angegriffenen Nerven zu beruhigen.
    Der Palais du Luxembourg war kürzlich für den Aufenthalt der vielen neuen Bewohner präpariert worden, die er aufnehmen sollte, und jeder Raum erhielt einen eigenen Namen, der außen an die Tür geschrieben wurde. Wir waren im Gemach des Cincinnatus untergebracht, Brutus war, glaube ich, unser Nachbar,und ein Socrates hatte sein Zelt ein paar Schritte entfernt aufgeschlagen. Das Gemach der Indivisibilité [Unteilbarkeit] wurde Personen zugewiesen, die des Féderalism [Föderalismus] angeklagt waren, und an der Tür eines Gefangenen, der au secret [in Sicherheitshaft] war, stand in fetten Buchstaben Liberté. Was große Namen angeht, so hat man in Paris bemerkt, daß fast alle berühmten Männer der Griechen und Römer zur Guillotine geführt worden sind. Brutus zum Beispiel, der während unserer Zeit im Gefängnis oft mit Befehlen von Anaxagoras von der Stadtverwaltung kam, wurde bald zum gleichen Schicksal verdammt, zusammen mit Anarcharsis, Agricola, Aristides, Phocion, Sempronius Gracchus, Epaminondas, Cato dem Älteren und dem Jüngeren und vielen anderen nicht weniger gefeierten Größen, die in trauriger Folge dem Schwert Maximiliens [Robespierre] zum Opfer fielen.
    Unser Gefängnis, das dicht bevölkert war von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Lebensumstände, Charaktere, Meinungen und Länder, schien eine Welt en miniature . Die Morgenstunden waren der Hausordnung gewidmet und wurden mit kleinen Aufgaben verbracht, über die sich die Gefangenen manchmal beklagten, obwohl sie vielleicht Grund gehabt hätten, dankbar zu sein, weil sie ihnen weniger Zeit ließen, über ihrem Unglück zu brüten. Jeder hatte eine bestimmte Aufgabe; in jedem Raum zündeten die Gefangenen im Turnus das Feuer an, fegten den Boden, machten die Betten; und diejenigen, die es sich nicht leisten konnten, ihre Mahlzeiten aus einem Gasthaus oder, wie es den Wohlhabenden zu dieser Zeit noch erlaubt war, aus ihrem eigenen Haus bringen zu lassen, bereiteten sich ihr Essen selbst zu. Jedes Zimmer bildete eine Gemeinschaft, die bestimmten Regeln unterworfen war: Jeden Tag oder jede Woche wurde ein neuer Präsident gewählt, der die Einhaltung der Gesetze überwachte und für Ordnung sorgte.
    Auf welche Widerstände das Prinzip der Gleichheit in der Welt auch treffen mag, im Gefängnis wurde es in vollem Ausmaß praktiziert. Vereint durch das starke Band des gemeinsamen Unglücks, fühlten sich die Gefangenen dazu verpflichtet, das allgemeine Übel durch gegenseitige Gefälligkeiten zu mildern, und Fremde, die einander in dieser Lage begegneten, wurden bald Freunde. Die Armen lebten nicht von den Krumen, die vom Tisch des reichen Mannes fielen, sondern teilten die Annehmlichkeiten der Mahlzeiten mit ihnen; und hier fand man eine Gemeinschaft der wenigen Güter, die allen gehörten und nicht rückerstattet werden mußten. Ein Besen, der einer Gräfin gehörte, wurde von zwanzig zarten Händen zum Fegen benutzt, und einem Teekessel, den ein Freund meiner Mutter zur Verfügung stellte, wurde buchstäblich ›niemals Zeit zum Kaltwerden gegönnt‹, wie Dr. Johnson von dem seinigen bemerkt hat, sondern er wurde von morgens bis abends benutzt, um die Engländer mit Tee zu versorgen.
    Am Nachmittag trafen sich die Gefangenen in einem Vorzimmer, das über den Ausblick auf die Gärten verfügte. Hier teilten sie

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