Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Volksvertretung Gewalt anzutun und das Vorspiel zu dem dunklen Drama zu dirigieren, dessen unglücklicher Schauplatz Frankreich und dessen entsetzter Zuschauer Europa gewesen ist. Henriot spielte seine Rolle so sehr zur Zufriedenheit seiner Arbeitgeber, daß ihm das Kommando auch weiter übertragen wurde; und es gehörte zu seinen Aufgaben, die Gefängnisse zu besuchen und dafür zu sorgen, daß sie gut bewacht wurden. Zum erstenmal sah ich ihn am Tag nach unserer Inhaftierung. In Begleitung von zwölf Offizieren betrat er mit gezücktem Schwert ganz plötzlich unser Zimmer. Er sahso aus, als wollte er nicht nur seinen Säbel in unseren Busen stoßen, sondern auch von unserem Blut trinken. Er ließ eine Salve von Flüchen und Verwünschungen gegen uns los, wollte wissen, wie viele Guillotinen für die Engländer errichtet werden müßten, und verließ unser Zimmer erst, als eine der anwesenden Personen vor Entsetzen ohnmächtig geworden war. In dieser Art besuchte er jeden Raum und verbreitete Furcht und Schrecken; und diese Besuche wiederholten sich drei- oder viermal wöchentlich. Wann immer der Hufschlag seines Pferdes im Hof vernommen wurde, schlug der erste Gefangene, der das wohlbekannte Geräusch erkannte, Alarm, und in einem Augenblick war der Gemeinschaftsraum wie leergefegt; jedermann floh von Furcht gejagt in sein Zimmer. Man konnte keinen Laut mehr hören, im ganzen Gebäude herrschte Totenstille, und wir blieben zusammengeduckt in unseren Zellen, wie die Griechen in der Höhle des Polyphem, bis das Ungeheuer verschwand. Die Besuche der Polizeiverwaltung waren zwar nicht so schrecklich wie die von Henriot, aber alles andere als beruhigend. Brutalität war wie Terror an der Tagesordnung. Die Besuche der Polizei brachten in der Regel eine Verschärfung unserer Haft, und nach kurzer Zeit war jeglicher Zugang zu uns verboten, mit Ausnahme von Briefen, die offen geschickt wurden und uns nach der Prüfung durch die Wachen ausgehändigt wurden.
Manchmal gab es Anlaß zum Nachsinnen über die seltsamen Launen und Wechselfälle des Schicksals. Wir fanden den Exminister Amelot als Gefangenen im Luxembourg, ihn, der während seiner Amtszeit so freigebig mit lettres de cachet gewesen war. Die Tyrannei hatte nun ihre Werkzeuge ausgetauscht, und er selbst war jetzt das Opfer eines neuen Despotismus. Aus dem ›im Namen des Königs‹ war ›als Maßnahme der öffentlichen Sicherheit‹ geworden.
Wann immer neue Gefangene ankamen, drängten sich alle um sie und versuchten, sie durch den sanftesten Ausdruck von Anteilnahme zu beruhigen. Das Erscheinen von Maillard rief solche Empfindungen nicht hervor. Auch er war einer der Mörder des 2. September, erst kürzlich zu einem Kommandanten der Revolutionstruppen ernannt und nun wegen irgendwelcher Vergehen entlassen und zu Sicherheitsgewahrsam verurteilt worden. Er hatte eine sehr aktive Rolle bei den jüngsten Aktionen gespielt und ein paar Tage vor seiner eigenen Verhaftung zwei vielversprechende Knaben, die Söhne eines Exministers, zusammen mit ihrem Erzieher, einem Priester, festgenommen. Sie waren gerade dabeigewesen, in die Kutsche einzusteigen, die sie zur Schule bringen sollte, als sie von Maillard ergriffen wurden, der den Jüngeren, ein Kind von elf Jahren, bei der Schulter packte und streng zu ihm sagte: Il faut dire la vérité, toute la vérité, et rien que la vérité. [ 27 ] Kaum hatte man Maillard ins Vorzimmer gebracht, als der kleine Junge ihn auch schon erkannte und zu ihm rannte, mit dem Ausruf: Bon jour, citoyen Maillard – il faut dire la vérité, toute la vérité, et rien que la vérité.
Nichts war schmerzlicher als die Empfindungen, die die Lektüre der Abendzeitungen hervorrief, welche die Gefangenen zu dieser Zeit noch bekommen durften und die mit der bangen Ungewißheit erwartet wurden, mit der wir im Unglück der Zukunft entgegensehen. Die Abendzeitungen schienen uns das Buch unseres Schicksals zu sein; aber wir konnten darin keine beruhigenden Zeichen von Hoffnung oder Gnade entdecken. Jede Zeile sprach von Verschwörung, Rache, Verzweiflung und Tod, und die Lektüre der Tagesereignisse raubte uns oft den Schlaf.«
Morituri
Quand la tyrannie
Frappe notre vie,
Fiers de notre sort,
Méprisant la mort,
Nous te bénissons,
Nous triomphons,
Et nous savons
Qu'un jour la patrie
Vengera nos nom! [ 28 ]
Sillery und Lasource
Neben dem Zimmer, in dem die Williams-Frauen
Weitere Kostenlose Bücher