Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
dem Schatten seines Vaters treten, der sich bisher seine Arbeiten bedenkenlos angeeignet hatte. Ebendeswegen hielten viele Johann Reinhold für den wahren Verfasser auch dieses Buches. Zu Unrecht. Zwar basiert es auf dessen Tagebüchern und hat der Vater dem Sohn beim Schreiben über die Schulter geschaut und ihm manchmal die Hand geführt. Ein so frisches, flüssig und anschaulich, manchmal glanzvoll geschriebenes Buch aber hat und hätte er niemals zustande gebracht. Schon gar nicht in Englisch, das er mit starkem, zum Spott reizenden deutschen Akzent nicht nur sprach – I vil tel de Kinck of you , droht er auf einer Karikatur –, sondern sozusagen auch schrieb.
Aus der immer bedrohlicher werdenden finanziellen Notlage konnte Georgs Buch die Familie nicht retten, auch nicht seine schönen Zeichnungen und Aquarelle, die der Vater an einen Sammler verkaufte. Das beträchtliche Honorar, das er für die Teilnahme an der Reise bezogen hatte, war ihm unter den Händen zerronnen, was an seinem – ihrem – aufwendigen Lebensstil lag. Es heißt, Vater und Sohn hätten sich wie Adlige gekleidet.Als Georg, ohne Zweifel angestachelt durch den Vater, einen offenen Brief an den Lord der englischen Admiralität – A letter to the Right Honourable the Earl of Sandwich – schrieb, den er beschuldigte, Johann Reinhold »unter dem Einfluß seiner Mätresse« um die ihm zustehende Entlohnung für seine Leistungen gebracht zu haben, hatten die Forsters in England keine Zukunft mehr.
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»Sieh hier, lieber Leser die Miene des gereisten, des Nord und Süd, Ost und West verbindenden Deutsch-Briten. Auf Blocksberge von Salzwasser sieht er herab, wie ich und Du auf Champagner Schaum. Erkenne Neptunischen Trotz und Dreizack vom Augenwinkel bis zum Null der Unterlippe. Im ganzen Mund Südpol, Eis-Inseln, Feuerland, und doch wieder süßes Oteihitisches, aromatisch laues Elysium und Wollust und hinsterbendes Obronisches Entzücken im Unterkinn. Nährende Brotfrucht überall.«
Georg Christoph Lichtenberg
Im Herbst 1778 reiste Georg Forster nach Deutschland, um literarische Projekte auf den Weg zu bringen und eine Stelle für den Vater zu suchen. Seine deutsche Übersetzung und Bearbeitung des Reisebuchs war inzwischen erschienen. Wo er auch hinkam, suchte man seine Bekanntschaft. Ein Triumphzug, von dem nachfolgende Generationen keinen Begriff mehr hatten, wie seine Witwe Jahrzehnte später schrieb. »Forster war der erste deutsche Weltumsegler, den die deutsche gebildete Welt persönlich kennen lernte. So, aus der Unbedeutendheit seiner gedrückten Jugend heraustretend, ward er bei seiner Ankunft in seinem ursprünglichen Vaterland von der Neugier, dem Wohlwollen, dem Enthusiasmus des gebildeten Deutschlands empfangen. In den Residenzen beschieden ihn die Fürsten zu sich, der Adel lud ihn ein, der Mittelstand drängte sich zu ihm. Für die Gelehrten hatte sein Gespräch ein Interesse, für das wir jetzt keinen Maßstab mehr haben. Für Michaelis, Heyne, Herder und andre geistvolle Forscher des Altertums und der Menschengeschichte eröffnete er die Wissensquelle der Urwelt in der Bekanntschaft mit den noch von keiner Art Zivilisation gemodelten Südseevölkern, sowie in der Kenntnis einer Natur, auf die noch keine Menschenkraft wirkte.«
14 Georg Forster. Schattenriß, um 1784.
Im Handumdrehen hatte Georg Forster eine Anstellung als Professor am Collegium Carolinum in Kassel gefunden – ausdrücklich nur für sich, den Vater wollte man nicht haben. Im November kam er zum erstenmal nach Göttingen, das deutsche Gelehrten-Mekka, und in das Haus des angesehenen und einflußreichen Philologen und Altertumsforschers Christian Gottlob Heyne, dessen Tochter Therese damals 14 Jahre alt war und vom »Hype« um den »Weltenwanderer« infiziert wurde. Sechs Jahre später war sie mit ihm verlobt.
Am 5. Oktober 1784 schrieb Luise Mejer, eine in Celle lebende Freundin Thereses, ihrem Verlobten Heinrich Christian Boie eine Neuigkeit aus Göttingen, die von dort an Charlotte Kestner – Goethes Lotte – nach Hannover gelangt war und von Lottezu ihr: »Noch eins: Therese heiratet – aber es bleibt ein Geheimnis, weil die Hochzeit erst in einem oder zwei Jahren ist. Sie heiratet Forster, der in Wilna in Polen Professor geworden ist. Er war Theresens erste Liebe, wurde vergessen. Da sie beide nicht an einem Orte sind, geht alles gut, denn Therese schreibt sehr schön. Vielleicht hört auch die Koketterie auf, nun sie Einen
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