Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
Kampagne in Frankreich findet sich der Satz: »Große republikanische Spannung der Gemüter; mir ward unwohl in der Gesellschaft.«
20 Landschaft mit Freiheitsbaum.
Aquarell von Johann Wolfgang von Goethe, 1792.
Vielleicht ging es Forster ebenso? Am Morgen nach dem ersten Abend mit Goethe machte er seinem Herzen in einem Brief an seinen Schwiegervater Luft. »Die letzten Auftritte in Paris lassen wenig Hoffnung, daß sich Alles so leicht werde abtun lassen, als unsere Monarchen es geglaubt haben«, meinte er, aufdie Erstürmung der Tuilerien anspielend. Die Pariser hätten die Worte des Manifestes des Herzogs von Braunschweig mit Handlungen erwidert »und dadurch den Herzog gleichsam herausgefordert seine Drohungen zu erfüllen. Ob er es leicht wird können, steht dahin.« Nachdem Forster sich über die eigensüchtige, unkluge Politik der Allianz ausgelassen und in Rage geredet hat, kommt er noch einmal auf die Zukunft zu sprechen: »Wie wird es jetzt noch gehen! Welchen Szenen können wir nicht entgegensehen! Wie wird der Krieg sich in die Länge ziehen, und wohin kann das Feuer noch kommen? Welche Folgen für ganz Europa können noch aus diesen Bewegungen hervorgehen!«
Für seine eigene Zukunft sah er schwarz. Die finanzielle Lage desolat, seine Ehe ein anderes Kriegstheater. Er sei ärmer, als er je in seinem Leben gewesen sei, schrieb er an Meta. »Mit einem Worte, alles geht rückwärts. Das sind allemal die Nachwehen der Disharmonie im Hause!«
Am 17. November des Vorjahres war die kleine Luise gestorben, nicht trotz, sondern eher wegen unausgesetzter ärztlicher Bemühungen. »Wir haben unsern beiden jüngsten Kindern die Pocken einimpfen lassen, weil bösartige Blattern grassieren. Alles schien gut zu gehen, allein das schwache, sechsmonatliche Luischen bekam unter dem Ausbruch der Blattern Konvulsionen, die sonst dabei ein unschädliches, meist noch für günstig gehaltenes Symptom sind. Diesmal waren sie es nicht. Donnerstags Morgens hatte sie den ersten Anfall und nun folgten immer stärkere, die trotz aller angewandten Gegenmittel, Moschuspulver, Kampher, Klystier, Weinbähung [feuchtwarme Umschläge], Opium, nicht weichen wollten und das arme Würmchen um sechs Uhr Abends töteten. Man weiß nicht, wie weh das tut, bis man es erfahren hat. Meine Frau hat sich dabei indessen sehr brav gehalten, nur ist sie von der Spannung jetzt matt und schwach, mehr als sie es uns gestehen mag. Ein paar gute Nachtruhen werden doch viel zu ihrer Stärkung tun.«
Brav gehalten? Wie gefaßt und normal das klingt!
Therese an Johann Gotthard Reinhold im Februar 1805:
»Ich hörte das sterbende Röcheln meines Kindes mit der verzweiflungsvollen Beruhigung nun mit einem Bande weniger einem qualvollen Leben zu gehören. Huber saß neben mir und sah schaudernd mein kaltes eisernes Herz.«
Therese an Reinhold im Oktober 1805:
»Wie mein erstes Kind starb – es war in Mainz – es war schrecklich und unnatürlich denn ich durfte nicht weinen weil der unglückliche Forster meine Tränen haßte.«
Als Luischen starb, war Therese schon wieder schwanger. »Sie haben ihr jüngstes Kind an den inokulierten Blattern verloren. Forster sorgt indeß für Ersatz, und das ist zehnfach ärger – und wenn Sie das nicht für ein Leiden halten, wenn Sie Forster billigen können, der doch wissen muß, daß er seines Weibes Herz nicht besitzt – nun so sind Sie ungerecht – wie die Männer alle.« Ob wirklich Forster derjenige war, der für Ersatz sorgte? Ob Therese mit ihm schlafen mußte, um ihre Beziehung zu Huber zu verdecken?
Caroline Böhmers Brief war an einen vertrauten Freund gerichtet, der Forsters Ehe sehr gut kannte. Meyer hielt sich inzwischen wieder in Göttingen auf.
Nach dem frühen Tod ihres (ungeliebten) Ehemannes und zweier Kinder stand Caroline mit ihrem Töchterchen Auguste alleine da. Sie war auf der Suche nach einem neuen Leben und einer neuen Liebe. Im Winter 1791/92 hatte Therese ihre alte »Freundfeindin« zu einem längeren Aufenthalt nach Mainz eingeladen, und Caroline war tatsächlich gekommen. Sie mietete eine kleine Wohnung in der Welschnonnengasse, fünf Minuten von Forsters entfernt, und lebte praktisch mit ihnen zusammen, als Zuschauerin und Mitspielerin ihres Ehedramas, das sich immer mehr mit den revolutionären Ereignissen verwob.
Thereses viertes Kind kam am 21. April 1792 zur Welt, etwa sechs Wochen vor dem von ihr errechneten Termin. »Daher war kein Kinderzeug fertig, keine
Weitere Kostenlose Bücher