Auf fremdem Land - Roman
gesagt, dass er offenbar von Kupfer kommt.« Es vergingen ein paar stumme Minuten, nur das Summen des Ventilators und ferne Hammerschläge waren zu hören. Gabi kehrte ins Wohnzimmer zurück, in seiner Hand ein Twix, dessen Verpackung aufgerissen war, und ein zweites, das er Roni zuwarf.
Er setzte sich aufs Sofa, rückte seine Schabbatkipa mit der weißen Quaste zurecht und biss in das Twix. Dann sagte er leise: »Schau dich doch selber an. Überleg mal, warum du hier bist, in welcher Verfassung du hier angekommen bist. Du bist der, der stundenlang deprimiert in diesem Wohnwagen hockt und nichts macht. Wieso drehst du also immer alles gegen mich?«
Roni warf die Twix-Verpackung auf den kleinen Tisch. Gabi erhob sich, las sie auf und warf auch seine mit in den Dreieckeinsatz im Spülbecken für milchige Speisen. »Was für eine Hitze«, sagte er, öffnete den Kühlschrank und holte einen Krug Wasser heraus.
»Und wie wär’s damit, noch andere Kinder in die Welt zu setzen?«, fragte Roni auf einmal unvermittelt mit weicherer Stimme.
»Was?«
»Warum heiratest du nicht? Sollten die Brazlawer nicht eigentlich immer einen Haufen Kinder haben?«
»Es ist nicht einfach, jemanden an einem kleinen Ort zu finden …«
»Du versuchst es nicht, Gabi. Ich sehe dich doch. Nichts interessiert dich außer deinem Nachman und deinen erhabenen Werten und diesem kleinen Platz. Überhaupt, das hier erinnert mich sehr an den Kibbuz – ein Loch am Ende der Welt, eine kleine und idealistische, geschlossene Gesellschaft, überheblich, in der alles gerechter und alles besser als im Rest der Welt ist –, die Pioniere, die das Lager führen. Du bist einfach zur Kindheit zurückgekehrt, sogar eure Araber sind wie die Katjuschas von damals …«
»Dieses ›Loch‹, wie du sagst, hat dich aufgenommen, und schau dir deine Einstellung an. Spuckst in den einzigen Brunnen, der dir Wasser gibt. Du musst wissen, den Menschen hier in der Siedlung behagt die Geschichte mit dem Olivenöl nicht. Auch mir nicht. Die Leute bemühen sich hier, jüdische Arbeit zu bewahren, fast nie kommt hier ein Araber herein, obwohl es uns Geld kostet. Und du kommst als Gast an und machst Geschäfte mit ihnen … Es ist nicht, dass ich persönlich – ich hab dir schließlich das Geld geliehen – aber wie sieht das vor den Leuten aus …«
»Du wirst das Geld zurückkriegen, keine Bange. Rosch Haschana, stimmt’s? Aber klar, ist in Arbeit.«
»Ich rede nicht von dem Geld«, sagte Gabi. Doch er redete auch von nichts anderem. Beide schwiegen, müde.
»Bist du nicht in der Lage, Mussa zu sagen?«, fragte Roni schließlich in die heiße Stille hinein. Er wollte trotzdem reden. »Der Mensch hat einen Namen. Weißt du, was sie nach der Geschichte mit der Planierraupe mit ihm angestellt haben? Haben sie Neta Hirschson verhaftet? Haben sie mich verhaftet? Wir haben genau das Gleiche gemacht wie er. Aber zu ihm sind sie gekommen, haben Sachen genommen und kaputtgemacht, ihn verhaftet. Wenn ich mich nicht eingemischt hätte, hätten sie ihn nicht freigelassen. Eure jüdische Arbeit klingt ja echt hübsch und sauber, aber wie ihr darauf beharrt, sie nicht zu sehen … Ich versteh die Logik nicht.« Roni blickte seinen Bruder an, und dann gähnte er, verschluckte beinahe den Wohnwagen. »Und dabei bin ich nicht mal ein Linker oder so was, das weißt du«, fügte er noch unterm Gähnen hinzu.
»Klar bist du kein Linker, du erkennst bloß eine Gelegenheit für irgendeinen Kuhhandel, und plötzlich sind die Araber deine Freunde.«
»Also, was sagst du jetzt eigentlich damit, willst du, dass ich gehe?«
»Gott bewahre, das habe ich nicht gesagt.« Gabi kehrte mit zwei Gläsern kalten Wassers und Eis zurück.
»Danke«, sagte Roni, der sich während des ganzen Gesprächs nicht aus seiner Stellung vor dem Ventilator weggerührt hatte, nicht angeboten hatte, ihn zu seinem Bruder hinzudrehen oder ihn auf Rotation zu stellen. »Obwohl das nicht wirklich ein Ersatz für Diätcola ist.«
»Du kannst bleiben, so lange du willst«, sagte Gabi. »Ich hab mich daran gewöhnt.«
»Ich auch«, lachte sein Bruder. »Ich würde woanders schon gar nicht mehr zurechtkommen.« Dann streckte er sich und sagte: »Ich bin tot vor Müdigkeit.« Gabi blickte auf seine Uhr und erhob sich. Es standen noch Erledigungen bis zum Eintritt des Schabbats an – Kochen, Wäsche, Anrufe. Aber um die Wahrheit zu sagen, er hätte nichts dagegen gehabt, sich selbst ein paar Minuten auszuruhen. Er ging
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