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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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wir noch Tee, um die Dunkelheit zu überbrücken.«
    »Ich geh mal eine Runde drehen draußen«, sagte Roni. Er ertastete seinen Weg zur Wohnwagentür, und als er an seinem Bruder vorbeiging, drehte er sich unvermittelt zu ihm, breitete seine Arme aus und sagte: »Komm her, lass dich umarmen.« Die Umarmung fiel ein wenig unbeholfen, ein wenig kurz aus, im Dunkeln war ein Gesichtsausdruck nicht wirklich zu erkennen, doch Gabis war wohl eher zurückhaltend und Ronis vielleicht etwas zu bemüht.
    »Gut, dass du da bist«, sagte der kleine Bruder, als sie sich aus dem Griff freimachten. Roni gab keine Antwort. Er ging hinaus und schloss die Tür mit einem heftigen Knall, der den ganzen Wohnwagen erzittern ließ. Gabi beschloss, das arvit zu Hause zu beten.
    Die Nacht
    Die Wohnwagen waren dunkel. Der ganze Hügel war dunkel. Tiefe Stille, beherrscht von Finsternis, die Geräusche aus dem arabischen Dorf – so völlig verschieden von seinem Leben in den letzten Jahren, doch gleichzeitig ließ es ein dumpf vertrautes Gefühl anklingen, vielleicht aus seiner Kindheit im Kibbuz. Roni fühlte sich erschöpft von dem langen Weg und dem Jetlag.
    Gitarrenspiel war vom Ende des Stützpunkts zu hören. Eine traurige, langsame Melodie, fast feierlich. Roni schien es, als näherte er sich den Klängen. Er ging an Menschen vorbei, erkannte den Mann, der ihn im Auto mitgenommen hatte, der nun draußen vor seinem Haus neben einem Jungen mit grüner Kipa und pickligem Gesicht stand. »Guten Abend«, sagte Roni.
    Otniel Asis lächelte. »Nu, hast du deinen Bruder, den Zaddik, gefunden? Ist er das?«
    »Ja, ja, danke.«
    »Wir gehen nachschauen, was mit dem alten Generator los ist. Willst du mitkommen? Vielleicht brauchen wir noch eine Hand.« Roni Kupfer folgte Otniel und seinem Sohn Jakir zum Eingang der Siedlung. Joni, der Soldat, war schon da, leuchtete mit einer Taschenlampe, und einer der anderen Soldaten versuchte, den Generator mit einem schnellen Kabelzug anzuwerfen. »Wie viele Jahre müssen wir noch darauf warten, dass uns der Stromversorgungstrupp ans Netz anschließt«, knurrte Otniel, während Lichter von den nahen Wohnwagen aufblitzten. »Es gibt Kinder hier. Es gibt Frauen hier. Jedes Mal, wenn der Generator ausfällt, zittern sie vor Angst.«
    Roni trottete weiter der Gruppe hinterher, die vom Bereich des Kontrollpostens ins Zentrum zurückging. Als sie den neuen Wohnwagen passierten, sagte Otniel zu Joni: »Hast du gewusst, dass ein neuer Wohnwagen ankommen soll?«
    »Nein«, erwiderte der Soldat.
    »Hat Omer nichts davon gesagt?«
    »Omer hat kein Wort mit mir geredet, außer dass wir die neuen Befehle aufhängen sollen. Er war die ganze Zeit bei euch.«
    »Stimmt«, sagte Otniel und rieb sich verwundert den Bart. »Interessant.« Er nahm von Joni die Taschenlampe und leuchtete auf den stummen Wohnwagen. »Sehr interessant«, murmelte er. Dann umrundete er den Wohnwagen. »Er hat ihn einfach bloß hier abgeladen, ohne mit irgendjemandem zu reden. Da ist kein Unterbau, nichts für Strom, Wasser und Abfluss vorbereitet. Hallo?«, rief er. »Ist da jemand?« Er trat bis an die Tür und klopfte. Es gab keine Klinke.
    Roni trennte sich von ihnen und ging weiter spazieren. Nach einigen Minuten fiel ihm auf, dass er den Siedlungsbereich verlassen hatte. Die Dunkelheit wurde undurchdringlich, und er hatte das Gefühl, sich zu weit von der Zivilisation entfernt zu haben, also machte er kehrt. Die Gitarrenklänge verstärkten sich, ertönten weiter mit schleppender Traurigkeit, und für einen Moment kam es Roni vor, als erkenne er das Lied, doch auf einmal riss die Melodie ab.
    »Halt!«, befahl ihm überraschend eine Stimme aus der Dunkelheit. Er wandte den Blick und sah einen mageren jungen Mann, etwa zehn Meter von ihm entfernt. Erst eine Sekunde darauf bemerkte er das Aufblitzen einer Waffe, die auf ihn gerichtet war, und noch ein paar Sekunden später die Gitarre darunter. »Oder ich schieße«, fügte der junge Mann hinzu, bemüht, das Zittern in seiner Stimme zu kaschieren.
    »Du brauchst nicht zu schießen«, sagte Roni und hob die Hände. Er war müde und benommen und wusste nicht, ob er es amüsant finden sollte, dass ein Junge mit einer Gitarre den Lauf einer Waffe auf ihn richtete, oder ob er die Fassung verlieren sollte. Trotz der Kälte spürte er, wie sich an seinem ganzen Körper an diversen Stellen Schweiß ansammelte, doch er sprach mit fester Stimme weiter: »Ich lauf bloß herum, schaue mich um.«
    »Was hast

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