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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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du hier rumzulaufen? Was gibt’s hier zu sehen, und noch dazu im Dunkeln?« Der junge Mann kam näher, immer noch unsicher.
    »Vielleicht könntest du ja mal das Ding vor meiner Nase runternehmen?«
    Der junge Mann bewegte keinen Finger. »Zuerst musst du mir erklären, wer du bist. Der Generator fällt aus, und plötzlich taucht hier ein verdächtiger Fremder auf. Ich muss die übliche Prozedur einhalten.«
    »Ich bin nur für eine Weile zu Besuch hier, bei meinem Bruder.«
    »Wer ist dein Bruder?«
    »Gabi. Gabi Kupfer.«
    »Gabi Kupfer? So was gibt’s hier nicht.« Der Lauf der Pistole rückte Ronis Stirn noch ein paar Zentimeter näher.
    »Ah, er hat seinen Namen geändert. Gavriel … äh, Gavriel … wallah , ich weiß nicht …«
    »Gavriel Nechuschtan? Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ja, ich sehe die Ähnlichkeit.« Er richtete die Pistole nach unten. »Du verzeihst mir, ja? Es gibt hier einfach ringsherum ein Meer von unseren arabischen Freunden, und die kommen immer in der Dunkelheit raus. Willst du einen Keks?«
    Die Kekse hatte Jenia Freud gebacken, eine Mathematiklehrerin, die in dem Wohnwagen nächst dem Siedlungstor mit ihrem Mann Elazar, Oberleutnant der Reserve, wohnte, der im Computerbereich arbeitete und in einer Siedlung auf der anderen Seite von Jerusalem aufgewachsen war. Jenia Freud pflegte Kekse für die Soldaten zu backen und sie auf einem Tablett im Wachturm zu hinterlassen. »Nicht dass ich Soldat bin«, sagte Nir Rivlin, bewaffnet mit Gitarre und Pistole, während sich Roni einen Schokolade-Kokos-Keks nahm. Nir erläuterte ihm die Situation: Normalerweise gab es vier bis sechs Soldaten im Stützpunkt, einer davon – Joni – permanent und der Rest wechselnd. Sie hatten die meisten Wachschichten, aber die Siedlungsbewohner halfen manchmal in der Nacht aus. Die Schichten der Siedler wurden gleichberechtigt unter allen Männern aufgeteilt, obwohl es welche gab, die sich von ihren Wachschichten freikauften – im Allgemeinen waren es Familienväter, die ein bisschen mehr freie Zeit haben wollten und die jungen Ledigen dafür bezahlten, dass sie sie ersetzten. »Nicht dass ich Junggeselle bin«, betonte er. Er sei Familienvater, aber er halte gern Wache, außerdem habe er kein Geld, um sich freizukaufen, denn er sei Student, er lerne Koch im Zentrum für koschere Kochkunst in Jerusalem, diese Woche habe er eine Prüfung, Arbeiten mit Messer, fortgeschrittenes Tranchieren, und vergangene Woche war ein Seminar der Grundteigarten, Quiches, Blätterteig, Hefeteig … Nir Rivlin redete so viel, dass der erschöpfte Roni irgendwann vorschlug: »Vielleicht spielst du was?« Worauf Nir die Gitarre hob und fragte: »Was möchtest du hören?« Und nach einer kurzen Debatte einigten sie sich auf Perfect Day von Lou Reed.
    Sie setzten sich auf das Polstersofa, das irgendjemand irgendwann weggeworfen hatte, und betrachteten die Sterne, die über der dunklen Wüste glitzerten. Der Generator brummte monoton.
    »Beten und spielen die anderen Wächter auch während der Wache?«, fragte Roni.
    »Jeder, wie er will. Man kann einen Spaziergang für zwei Stunden machen und nachdenken, manchmal studieren und beten. Ich spiele Gitarre. Es gibt welche, die sich DVD s auf dem Notebook anschauen. Oder einfach bloß hier sitzen, mit Zigarette, Kaffee. Manchmal ergibt sich eine Unterhaltung mit jemandem, der draußen rumgeht oder mit dem Wagen vorbeifährt.«
    »Und mein Bruder?«
    »Gavriel? Er ist ein großer Zaddik, ein wahrer, heiliger Gerechter. Er verlangt immer die Mitternachtsschicht, und dann betet er das tikun chazot . Weißt du, was das ist? Hast du schon mal was von dem Mitternachtsgebet zur Erinnerung an die Tempelzerstörung und Israels Wiederherstellung gehört? Du bist total unreligiös, was? Die Nacht ist die Zeit des wesentlichen Rückzugs zu der Zeit, in der die Welt frei von ihren Mühen ist. Eine Zeit, um den guten Geist aus dem schlechten Geist zu sammeln. Manchmal steht Gavriel auf dem Wachturm und studiert Spruchsammlungen von Rabbi Nachman. Und manchmal sieht man ihn bis zum Rand des Hügels gehen, wo kein Mensch ist, nur er und die Sterne und die Wüste. Redet mit dem Herrn. ›Denn in der Stunde der Abgeschiedenheit tritt er aus dem Zustand des Kummers und gelangt zur Freude.‹ Willst du einen Zug?«
    Nir holte aus der Innentasche seiner Jacke einen Joint heraus, den er sich vor der Wachschicht gedreht hatte. Er sog geräuschvoll daran, stieß eine dünne Rauchfahne nach oben aus und

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