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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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In der zweiten setzte sich der Abstieg fort, allerdings gemäßigt, und Roni glaubte, dass sich die Kurve nun wieder nach oben krümmen müsste. Er blieb bei seiner Wette und wollte bis zum Endtermin der Optionen warten. Doch die Aufwärtskurve traf nicht ein. Die ganze Wall Street bebte, und es fand sich kaum eine Aktie, die nicht steil abstürzte.
    Als die Option auslief, war Ronis Positionierung ungedeckt. Weit davon entfernt: Die Aktie stand bei 55 Dollar, die Summen, die er investiert hatte, waren eliminiert und schlimmer noch, es wurde von ihm verlangt, die Put-Optionen zu realisieren und Zehntausende Aktien zu 80 Dollar zu kaufen, fünfundzwanzigtausend Dollar über ihrem Marktwert. Roni erhielt von der Bank den margin call, den Telefonanruf, der warnte, dass das Margin-Konto ins Minus geriet, und wurde aufgefordert, auf der Stelle zwei Millionen Dollar zu zahlen. Um die Schulden zu decken, überwies er Bargeld vom Firmenkonto und von den Konten seiner Privatkunden – wobei er wieder Dale Savages Unterschrift fälschte – und kaufte weitere Optionen mit ähnlicher Positionierung. Seine Logik dabei war: Nach dem Absturz im Juni hatte es eine Erholung gegeben. Daher musste der drastische Fall jetzt ebenfalls von einem Aufschwung abgelöst werden. Das war es auch, was die meisten Beobachter schrieben und was Roni zu den Mitarbeitern der Risikomanagementabteilung sagte, die bezüglich der Positionierung nachfragten. In jener Woche wurde Roni vierzig, doch er feierte es nicht. Seine Nerven waren zu sehr zerrüttet, und er hätte auch niemanden zum Mitfeiern gehabt. Er erhielt den regulären Anruf von seinem Bruder Gabi. Es war zu den Geschäftszeiten der Börse, und er sagte zu Gabi, er sei gerade mitten in einer wichtigen Transaktion und würde ihn in ein paar Stunden zurückrufen. Er vergaß es.
    Nach einem Monat brachen die Aktien immer noch ein und lagen bereits unter 40 Dollar. Bei der großen Entlassungsrunde, die bei Goldstein-Lieberman-Weiss veranstaltet wurde, war Dale Savage einer der Gekündigten. Roni entkam der Kürzung. Er sah darin eine Bestätigung dafür, dass er wusste, was er tat, und dass man das in der leitenden Etage begriff. Roni zog weitere Gelder von den Konten seiner Privatkunden und der Bank ab, kaufte noch mehr Optionen und wich den Anrufen der Chefs, des Risikomanagements und der Kunden aus, die ziemlich hysterisch waren, auch ohne zu wissen, was er trieb. Die Positionierung, die er diesmal eröffnete, war Millionen wert: Er spekulierte weiterhin auf einen Aufschwung von RIM und fügte der Positionierung auch noch Google hinzu, die ihr mobiles Betriebssystem tatsächlich vom Stapel laufen ließen, so wie Meir Foriner es vorhergesagt hatte. Roni war hundertprozentig überzeugt, dass er diesmal nicht abstürzen würde. Dass er wusste, was er tat. Die Börse war bereits seit Monaten im Kursverfall, sämtliche historischen Daten zeigten, dass nach einer solchen Phase eine Stabilisierung und danach normalerweise ein Anstieg kommen musste. Er erhielt noch einen margin call und zog mangels Wahl mit klopfendem Herzen eineinhalb Millionen Dollar von seinem privaten Konto ab, um das Risiko zu decken. Bis November hatte die RIM -Aktie bereits 100 Dollar verloren – zwei Drittel ihres Werts. Google stürzte auf einen Tiefstand, wie man ihn seit dreieinhalb Jahren nicht erlebt hatte.
    Mitte November hörte Roni auf, zur Arbeit zu gehen. Er beantwortete keine Anrufe von Gughar Rawandip, Meir Foriner, Alon Pilpeli, Idan Levinhof und anderen. Zwar hatte jeder seine eigenen Probleme, aber auch Roni Kupfer war eines davon. Jedes Mal, wenn sein BlackBerry klingelte, hatte er das Gefühl, dass es ihn verhöhnte. Er konnte die Miete nicht mehr zahlen und fürchtete zudem, dass seine Vorgesetzten und seine israelischen Klienten ihn in seiner Wohnung aufspüren würden, also nahm er den Mercedes Cabrio, den er in besseren Tagen gekauft hatte, und verließ damit New York. Bei einem Autohändler in Ohio tauschte er ihn gegen ein billigeres Auto, und von dem Differenzbetrag, gut zwanzigtausend Dollar, lebte er in den nächsten zwei Monaten – seine sämtlichen Bankkonten und Kreditkarten waren in dem Moment, in dem er verschwunden war, gesperrt worden, nicht dass dort noch viel zu holen gewesen wäre. Er wanderte von Motel zu Motel, nahm mit keinem Menschen Kontakt auf (das BlackBerry zerlegte er in seine Einzelteile und warf es schließlich an irgendeiner Tankstelle in den Mülleimer) und dachte darüber

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