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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Telefon läutete wieder. Er ging nach draußen, und das Planungskomitee folgte ihm auf dem Fuß. Die Dunkelheit hatte Stille über den Hügel gebreitet, die Sterne waren herausgekommen und luden zum Gebet ein, s chma jisrael . Mit einem Mal stand draußen vor dem Haus der Familie Asis eine ganze Versammlung, die sich irgendwie eingefunden hatte – Gerüchte. Das Zusammenscharen wärmte, half, die Ungewissheit mit Hilfe von unaufhörlichem Geschwätz zu bewältigen. Josh erhielt einen Anruf, redete Englisch, und langsam, aber sicher neigten sich ihm aller Ohren zu, denn es klang, als habe er eine interessante Information erhalten. Er griff sich an die Stirn und sagte Dinge wie: »No shit!«, »You’re joking!«, »Are you sure?«, »Unreal!«, und seine funkelnden Augen irrten mit einem Ausdruck umher, der sich an der Schwelle zwischen Staunen und Entsetzen einordnen ließ. Als er »Bye« sagte und die rote Taste drückte, umringten ihn schon alle und warteten still auf eine Äußerung von ihm.
    »Es ist ein Artikel in der Washington Post «, erklärte er, »ein großer Artikel, über die Siedlung.«
    »Drei?«, kam ein gesammelter Aufschrei.
    »Drei, drei. Nur über drei. Es wird über die Spielplatzanlage berichtet. Und über Mamelstein. Und die Geschichte mit den Planierraupen.«
    »Und was? Was steht da?«
    Joshs Blick war verloren, blass.
    Das Klingeln eines älteren Telefons zerriss die Dunkelheit. Otniel zog die Hand, die das Gerät umklammert hielt, aus der Tasche. Er betrachtete das erleuchtete Display.
    »Unterdrückte Nummer«, teilte er mit. Das Publikum schwieg.
    »Hallo?«, sagte er und dann: »Ministerium von was?«
    Und mit leiserer Stimme, während er anfing, sich zu entfernen, weil offenbar ein privateres Gespräch erforderlich war: »Sicherheitsministerium?«
    Die Reportage
    Die Familienlegende erzählt, dass Joshua Levins Vorfahren »Marranos«, »Vergewaltigte«, waren – spanische Juden, die ihrer Religion abschworen und zum Katholizismus übertraten, um ihrer Vertreibung aus dem Spanien des fünfzehnten Jahrhunderts zu entgehen, die jedoch insgeheim die jüdische Tradition bewahrten. Im achtzehnten Jahrhundert fanden einige der Nachkommen ihren Weg in die Neue Welt und gelangten nach Neumexiko, damals im nördlichen Teil Mexikos, heute der Bundesstaat New Mexico in den Vereinigten Staaten. Die Legende erzählt weiter, dass sie trotz des viele Generationen prägenden Katholizismus und trotz des unausweichlichen Eindringens anderen Blutes in das familiäre Gewebe (zum Beispiel irisches Blut, das offenbar für das rote Haar verantwortlich war) weiterhin Bräuche wie das Kerzenanzünden am Schabbat ausübten, bis Joshs Urgroßmutter zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts überraschend ihre jüdischen Wurzeln wiederentdeckte, nach Brooklyn zog und sich mit Israel Linovsky verehelichte, einem jungen, armen chassidischen Juden, der kurz zuvor aus Litauen eingewandert war.
    Einige Faktoren kamen ungefähr hundert Jahre später zusammen, um den Lebensweg von Josh Levin zu verändern: sein Alter – er war zwanzig und bereit zu revoltieren –, der Zionismus, den man ihm von morgens bis abends in der Jeschiva »Feuer der Thora« eingeflößt hatte, ein Touch von Heißblütigkeit (vielleicht wieder die irischen Gene) und das Zündholz, das all das zusammen in Brand steckte – der elfte September. Die Wut in ihm wuchs und befahl ihm, »etwas zu machen«. Er wanderte nach Israel aus und siedelte im heiligen Land seiner Väter, gelangte in ein religiöses Seminar in Ma’aleh Chermesch, da einer seiner Lehrer in Brooklyn dort einen Freund besaß. Josh mochte das Seminar nicht, doch traf er eines Abends den etwa gleichaltrigen Jehu im Lebensmittelladen, half ihm, »fünf Schekel siebzig« für den Einkauf vollzumachen, und jener schlug ihm vor, mitzukommen und »die Drei anzuschauen«. Josh verließ das Seminar – er hatte das endlose Philosophieren mit den diversen Kreisen in der Jeschiva ohnehin satt – und zog noch in der gleichen Woche, als Mitbewohner in Jehus Wohnwagen, nach Drei.
    Jetzt übersetzte er den Artikel in der Washington Post , den Jakir vom Internet ausgedruckt hatte. Otniel brach in Gelächter aus, als er die Überschrift hörte: »Sheldon Mamelstein leistet Hilfestellung zu Gesetzesbruch in der Wildwestbank«. Er lachte auch weiter in sich hinein, als Josh in gebrochenem Hebräisch, bei jedem Wort stockend nach der richtigen Übersetzung suchend, die er nicht immer fand, über den

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