Auf fremdem Land - Roman
herumzuschnüffeln und zur Stelle zu sein, falls und wenn sich ein spontanes Treffen mit der Staatssekretärin, dem Verteidigungsminister oder sogar dem Präsidenten selber ergeben sollte …«
In dieser Sekunde gab das Telefon erstickte Geräusche von sich und erstarb. Otniel blickte erstaunt auf das stumme Gerät. Jakir nahm es ihm aus der Hand und begriff sofort. Er ging in die Küche, zog das Kabel der Ladestation hinter dem Kühlschrank heraus, verband das Nokia und legte es auf den Kühlschrank. Sein Vater ging auf die Toilette, sprühte Deodorant in seine Achselhöhlen und versuchte, mit den Fingern sein Bartgestrüpp ein wenig zu ordnen.
»Jakiri, notier im Terminkalender, dass morgen Herzl Weizmann, der Bauunternehmer, kommt und dass ich Motke im Wohnraumbeschaffungsministerium anrufen muss, um über eine Bezuschussung seiner Arbeit zu reden.« Otniel blickte mit geröteten Augen auf Jakir, der am Computer tippte, ließ ein »In Ordnung, Sohn?« fallen und verließ den Wohnwagen.
Jakir spähte vorsichtig aus dem Fenster und sah, wie sein Vater in den staubigen Renault Express einstieg, an dessen ursprüngliche Farbe sich in Ma’aleh Chermesch 3 nur wenige erinnerten – Otniel hatte ihn aus Wasserersparnisgründen seit Jahren nicht gewaschen.
Er kehrte sofort zu Second Life zurück und traf die kleine, bärtige Gesellschaft mit den Kipas draußen vor der Synagoge »Feuer der Wiedererrichtung«. »Ah, Jakir, du bist wieder da«, schrieb King Meir, über der Schulter die Uzi, die er für ein paar Groschen in einem Waffenladen in der Geschäftszone von Second Life erstanden hatte. »Wir haben gerade diskutiert, wo wir jetzt einen Besuch machen sollen, nach dem Erfolg gestern in der Moschee.«
Jakir half ihm bei der Suche nach einer arabischen Lokalität. Es gab einen Nachtklub namens »Schahrazad« mit Bauchtänzerinnen, einen »Orient-Basar«, wo Dschallabijas und Kafijas, arabische Gewänder, Tücher und Kopfbedeckungen, verkauft wurden, sowie »Taste of Arabia«, eine arabische Stadt mit Palmen, Moscheen und Pferden. Das Problem war, dass dort nicht viele Leute unterwegs waren. King Meir entschied sich am Ende für die große Moschee in »Taste of Arabia«. Sie würden hineingehen und dort Spamartikel platzieren – die Moschee mit Davidsternen überschwemmen.
»Wenn es unmöglich ist, körperliche Gewalt anzuwenden, dann ist ein Spam gut. Wir sind klüger als sie, kommt, lasst uns das ausnutzen«, sagte King Meir und gab die Zielkoordinaten an. Jakir tippte die Daten ein und tauchte mit seinen Gefährten in der Moschee auf. Eine Frau, die nicht wie eine Araberin aussah, empfing sie. Sie begrüßte sie: »Salam aleikum!« , und sie reagierten mit einer Flut von Davidsternen: Jakir hatte in Photoshop einen Davidstern kreiert, der mit der Graphik von Second Life kompatibel war, hatte ihn blau angemalt und ein simples Programm zur Vervielfältigung gefunden. Er zog den Stern mit der Maus auf den Boden der Moschee, und er vertausendfachte sich: die ganze Moschee voll mit schwebenden blauen Davidsternen.
»Komm, wir machen das Gleiche im ›Orient-Basar‹!«, schrie der erhitzte King Meir und gab die neuen Daten ein. Zwei Minuten später füllte sich auch der Basar mit Davidsternen. Die bärtige Bande mit den Uzis feierte. Nicht nur hatten sie die abscheulichen Orte mit ein bisschen jüdischer Schönheit erfüllt, sie hatten auch die Computer ihrer Besitzer belastet. »Du bist großartig, Jakir!«, begeisterte sich King Meir, als sie auf die Insel »Wiedererrichtung« zurückkehrten. »Und du weißt, was der nächste Schritt ist!«
Jakir lachte. Er würde versuchen, an einer Kopie der Moschee zu arbeiten, um sie in die Luft zu sprengen, und an Palästinafahnen, um sie zu verbrennen. Vielleicht würde er heute Nacht Zeit dazu haben. Er hörte seinen Vater parken, und eine Minute später öffnete sich die Tür, und seine schweren Arbeitsschuhe hämmerten über den Boden.
»Was machst du da, Sohn?«, fragte Otniel.
»Nichts«, erwiderte Jakir.
»Was nichts, ich hab dich lachen gehört … Jalla , los, kommst du beten?«
»Ist gut«, antwortete Jakir und tippte das X in der Bildschirmecke an.
Die Kampagne
Ariel wachte eine halbe Stunde vor dem Weckerklingeln auf. Wie benommen lag er da und wusste nicht, was los war, bis er sich erinnerte und ihn ein leichter Schauer überflog, ein banges Zucken, das schnell vorüberging. Er stand auf, erledigte flink die morgendlichen Verrichtungen, weckte seine Frau
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