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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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aus Urwald!«
    »Nein«, sagte Wilfried und schaute auf. In seinen Augen standen Tränen.
    »Äh, Wilfried, warum bist du traurig?«
    »Weil«, sagte Wilfried mit belegter Stimme, »weil Wilfried heute ins Tagebuch schreiben musste: ›Sonntag. Wilfrieds schöne Zeit mit Onkel Ludwig ist vorbei, bald auf ewigimmer gehen sie entzwei‹.«
    »Entzwei? Warum entzwei?«, verstand Edek nicht.
    »Weil heute die Kirmes zu Ende ist«, sagte Wilfried. »Und wenn wir in Bonn sind, dann muss Wilfried Onkel Ludwig beerdigen. Für immer.«
    »In Bonn?« Edek war völlig verdattert.
    »Ja, in Bonn. Du hast gesagt, am Mittwoch sind wir in Bonn.«
    »Klar sind wir Mittwoch auf Kirmes in Bonn. Aber das ist egal ...« Edek überlegte fieberhaft. An alles hatte er gedacht, nur nicht mehr daran, dass der verrückte Wilfried seinen Onkel gleich am ersten Tag beerdigen wollte. Das musste er unbedingt verhindern.
    »Warum ist es egal?« Wilfried schaute Edek verständnislos an.
    »Ist ganz egal!«, versuchte es Edek weiter. »Kirmes ist bis Sonntag. Und bis Sonntag kann deine Onkel Ludwig bleiben! Sind noch ganze sieben Tage!«
    »Sieben Tage?«
    »Ja, sieben Tage kannst du noch deine Onkel sehen. Und später machen wir erst mal Pause und du kannst immer noch deine Onkel sehen!«
    Aber Wilfried war irgendwie nicht sehr überzeugt. Offensichtlich hatte ihn der Gedanke, Onkel Ludwig bald beerdigen zu müssen, zu traurig gemacht.
    »Äh, Wilfried«, gab Edek nicht auf. »Und dann kaufen wir für deine Onkel ein tolle Sarg! Aus Gold, weil deine Onkel hat immer nach Gold gesucht in Urwald. Wird so schön glänzen wie goldene Sarg von ›Toter Mann‹!«
    Wilfried wurde aufmerksamer. »... wird schön glänzen«, wiederholte er.
    »Und schöne Blumen kaufen wir und Kerzen und was Wilfried will!«, geriet Edek in Fahrt. »Und alle Leute kommen ...«
    »Nein, nicht alle Leute!«, sagte Wilfried erschrocken.
    »Nein«, beeilte sich Edek, »deine böse Mutter kommt nicht!«
    »Bestimmt nicht?«
    »Nein, großes Ehrenwort von Gringo Edek!« Edek hob die Hand zum Schwur.
    »Gut«, sagte Wilfried zufrieden. »Und du wirst Wilfried helfen?«
    »Kein Problem. Wenn Kirmes ist zu Ende, ich helfe dir.«
    »Und Onkel Ludwig darf wirklich noch bis Sonntag bleiben?«
    »Bis Sonntag, und noch wie lange Wilfried will«, sagte Edek erleichtert.
    »Du bist ein guter Freund«, sagte Wilfried, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lächelte. »Du bist wirklich ein guter Freund. Hier, ich habe es mir gestern sogar aufgeschrieben.« Er blätterte eine Seite in seinem Tagebuch zurück und las: »›Samstag. Edek in Geisterbahn toten Onkel Ludwig brachte, damit Wilfried nicht weinte, sondern lachte!‹«
    »Geister ... toten Onkel ... bahn«, wiederholte Edek durcheinander, wobei er es vermied, Wilfried anzuschauen. »Das ist gut, ist lustig ... Und jetzt muss ich gehen. Und wenn du nachher mit deine Onkel fertig bist, mach fest Deckel zu, denk dran ...«
    Ohne abzuwarten, ob Wilfried noch etwas sagte, ging Edek. Er hatte wieder einmal verdammt Glück gehabt. Nicht auszudenken, wenn sich Wilfried auf einmal am Mittwoch darangemacht hätte, seinen Onkel zu beerdigen! Aber Edek hatte die Sache wieder in den Griff bekommen. Dieser Verrückte glaubte ihm auch alles. Edek, ein ›guter Freund‹. Und: ›toten Onkel in die Geisterbahn brachte, damit Wilfried lachte!‹ Es war zu komisch. Es war eigentlich zum Schieflachen. Und doch lachte Edek nicht. Irgendwie war es schon seltsam mit diesem Riesen. Irgendwie hatte er plötzlich ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, dass er Wilfried bald an seine Mutter verraten würde, die ihn sicher gleich wieder in ein Irrenhaus steckte. Aber was sollte es? Dort gehörte er schließlich auch hin, dieser Irre, der, wenn man nicht ständig aufpasste, nur Ärger machte. Und damit war genug. Jetzt begann für Edek die Nacht. Eine wundervolle Nacht mit Mirja und mit seinen Träumen von einem unermesslichen Haufen Geld.
     
    Vanessa Jagenberg drückte in dem überquellenden Aschenbecher die Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. Sie rauchte seit ein paar Tagen wieder, obwohl sie es eigentlich nicht wollte. Aber sie brauchte die Zigaretten, um ihre immer größer gewordene Anspannung zu überstehen. Und sie brauchte immer mehr »Juventin«.
    Vanessa Jagenberg warf die glühende Zigarette in den Aschenbecher, sprang auf und schaute in den Spiegel. Ihr Gesicht sah spitz aus, die Haut um Augen und Mundwinkel warf Falten

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